konsortium.Netz.kultur

konsortium.Netz.kultur ist der Zusammenschluss der österreichischen Initiativen an der Schnittstelle von Kunst, Kultur und neuen Informations- und Kommunikationstechnologien.

Medium Internet und die Freie Szeine

Sabine Bauer
Informationsgesellschaft und Demokratiepolitik in Österreich Studie im Auftrag der Gesellschaft für Kulturpolitik OÖ, Linz 1998

Impressum

Medieninhaberin und Verlag:
OÖ. Gesellschaft für Kulturpolitik
Weissenwolffstr. 5, A - 4020 Linz
Tel/Fax: (+ 43) 0732 / 78 30 89
eMail: gfk.ooe@servus.at
http://www.servus.at/GFK

Schriftenreihe der OÖ. Gesellschaft für Kulturpolitik, Band IV
Sabine Bauer, Medium Internet und die Freie Szene, Linz 1998; 1. Auflage
Alle Rechte vorbehalten.

Redaktion:
Ulrike Stieger, Martin Wassermair

Gestaltung:
Rudolf Danielczyk

Druck & Repro:
Druckerei In-Takt/Linz, ad eins/Linz

HTML-Version:
Peter Riegersperger

Dank für die Mitarbeit an:
Alexander Baratsits, Konrad Becker, Rudolf Danielczyk, Bert Estl, Gabi Kepplinger, Irmgard Klammer, Horst Lausegger, Tom Lehner, Andrea Mayer-Edoloeyi, Marie Ringler, Markus Seidl, Erna Stacey-Aschauer, Rudolf Stöllnberger
Editorial I
PRECHAT - A - LONG 1

momp 2 signalisierte die GfK OÖ. in der Linzer Musiktheaterdebatte und druckte ein vielbeachtetes Konzept für einen leeren Raum aus. Zu diesem Ausdruck zukunftsweisender Multifunktionalität sagte die hohe Politik goom 3!

Das ließ die GfK OÖ. aber nicht abstürzen, vielmehr hieß es sc 4. Und die Mannfrauschaft enterte das oberösterreichische Schlachtschiff der Kulturpolitik, das Musikschulwerk, mit Analyse, Perspektive und nun als wip 5.

Das sumf 6 für die Freien Radios formatierte die GfK OÖ. in einer international anerkannten Publikation.

Fast 2L8 7 finalisierte die GfK OÖ. den wichtigen Diskussionsprozeß über die Rolle der Neuen Medien für die Szene der Kulturinitiativen.

Das hochaktuelle Projekt wurde rasant hochgestartet. Es steht. Es wurde wie immer in eine demokratie-, verteilungs- und partizipationskritische Abfrageumgebung gestellt.

ta4n 8 - tnt 9!

Übrigens: iha 10

Wolfgang Wernery
Vorsitzender der
OÖ. Gesellschaft für Kulturpolitik
1 Vorwort: gfk.ooe@servus.at
2 moment please
3 get out of my life, verschwinde ...
4 stay cool, bleib ruhig
5 work in progress
6 aus Taktgründen unübersetzbar
7 too late, zu spät
8 that's all for now, das wär's soweit
9 Sprengstoff oder till next time
10 I hate abbreviations, ich hasse Abkürzungen

Editorial II

In einem Land wie Österreich ist die Stiftung von Sozietät und Zugehörigkeit noch immer ein erklärtes Ziel der zahlreichen Vereinigungen und Verbände, der Kirchen, der Kammern und Gewerkschaften, der politischen Parteien. Aber so sehr sie sich auch auf historische Traditionen zur Gewährleistung von Identität und Integration berufen, so wenig greifen ihre Konzepte in der Gegenwart. Die Instrumente des bisherigen Zusammenhalts und deren Regelwerk stehen den Kennzeichen eines schwerwiegenden Wandels in der Gesellschaft gegenüber. Allerdings überwiegend rat- und tatenlos. Dies umso mehr, wenn eine Entwicklung im Bereich moderner Technologien die Einschnitte der sozialen und kulturellen Veränderung noch einmal zusätzlich vertieft.

Mit dem Medium Internet sieht sich die Politik vor eine der großen Herausforderungen unserer Zeit gestellt. Nicht nur, daß es - mystifiziert und emporgehoben zum Sinnbild der Globalisierung - die Faszination gegenüber der Technik mit der Angst des Menschen vor seiner eigenen Zurückdrängung in sich vereint. Veränderte Formen der Kommunikation, der Wissensvermittlung sowie der Zugänge zu Bildung, führen in der Folge unweigerlich zu gesellschaftlicher Reorganisation. Das bislang mit Geringschätzung bedachte Feld der sogenannten "Freien Szene" hat für den Umgang mit den Neuen Medien das erforderliche Sensorium bereits sehr früh herausgebildet. Durch ihr ausdauerndes Beharren auf solidarischen Ausgleich und den Freiraum für Kreativität könnte es nunmehr dieser Gesellschaft Vorbild sein. Alleine das soziale Umfeld dieser Vielzahl an Initiativen ist geeignet, ein zukunftsweisendes Modell vorzuführen: Ein Netzwerk barrierefreier Austauschbeziehungen unter der Voraussetzung uneingeschränkter Information und gleichberechtigter Interaktion.

Eine Anerkennung der "Freien Szene" erfordert mutiges Handeln aller politisch Verantwortlichen in dieser Republik. Rückzug und Deregulierung sind gerade angesichts einer zunehmenden Merkantilisierung der Informationsgesellschaft vollkommen fehl am Platz. Die Qualität demokratischer Politik mißt sich an der Bereitschaft einzugreifen, gestaltend zu intervenieren in die Rahmenbedingung der medialen Wirklichkeit. Daß es gelingen kann, dafür finden sich in dieser Studie Einfälle und Anregungen genug.
Martin Wassermair
Projektleiter der
OÖ. Gesellschaft für Kulturpolitik
Das Internet als Kommunikations- und Informationsmedium
1. HINTERGRÜNDE, KONTEXTE UND MEDIENTHEORETISCHE ASPEKTE
1.1. Hintergründe und Kontexte

Während der Zeit des Kalten Krieges wurden die technischen Grundsteine für die ersten Computervernetzungen und Informationskanäle gelegt. 1969 rief das US-Verteidigungsministerium ein Netzwerk mit dem Namen ARPANET [Advanced Research Projects Agency-NET] ins Leben und beauftragte damit seine Abteilung für Grundlagenforschung [ARPA]. Diese Netze hatten auch den Sinn, verschiedenen Forschungsgruppen Hard- und Software zur Verfügung zu stellen, deren Anschaffung für einzelne Projekte zu kostenintensiv gewesen wären. Das Prinzip der gemeinsamen Nutzung von Ressourcen stand am Beginn der Entwicklung und ist ein Charakteristikum, das dieses Medium bis heute kennzeichnet. Eine zweite Anforderung an das ARPANET bestand darin, höchste Betriebssicherheit zu erreichen. Auch wenn einzelne Teile ausfielen, mußte das System in der Gesamtheit weiterfunktionieren, um die Kommunikation zwischen den Kommandozentralen [im Falle eines atomaren Krieges] aufrechterhalten zu können. Technikentwicklung, Kriegstechnologie und Wirtschaftwachstum waren und sind eng miteinander verknüpft. Die mittlerweile zivile, friedliche Nutzung kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß sich in der Computertechnologie und in der Vernetzung die Sprache des Krieges manifestiert hat. Von "Aufrüstung" und "Technologieoffensiven" wird gesprochen und vielleicht kommt auch daher das Unbehagen vieler gegenüber dieser neuen Kulturtechnik, daß neben den friedlichen zivilen Möglichkeiten auch immer die Struktur der [dezentralen steuerbaren] Kontrolle und Überwachung potentiell vorhanden geblieben ist. Paradox ist die Tatsache, daß gerade im militärischen Bereich die Kooperation zu einem neuen Standard der Zusammenarbeit wurde, die sich in der Architektur des Netzes wiederfindet.

Grundlage für die Kommunikation im Internet sind die PROTOKOLLE DER TCP/IP-FAMILIE [Transmission Control Protocol/Internet-Protocol]. Diese Protokolle bieten den Standard für die mittlerweile weltweite Vernetzung. Die Entwicklung von Standards für die verschiedenen Netzwerkdienste und die Übertragung der Daten ermöglichte die Kommunikation zwischen Computern, unabhängig vom jeweiligen Betriebssystem. Die Internet-Technologie führte zur PLATTFORMUNABHÄNGIGKEIT. IP hat sich zu einem Netzprotokoll für das Internet entwickelt, das fähig ist, alle Elemente einer Multimedialeistung [Text, Bild, bewegte Bilder und Ton] zu koordinieren und zu befördern. IP wird auch in Intranet-Produkten verwendet, es bildet die technische Basis der Kommunikation für Multimedia-Anwendungen innerhalb einer Institution, eines Unternehmens, Vereins oder einer anderen "geschlossenen" Benutzergruppe. Das Intra-Net ist sozusagen die kleine Schwester des Internet und verhält sich wie ein Mikrokosmos zum Netz der Netze [Inter-Net].

Forciert wurde die Weiterentwicklung und zivile Nutzung durch die Universitäten im Bereich der Forschung. Die Netze wurden mit öffentlichen Mitteln weiter ausgebaut und für internationalen Austausch und Recherchen eingesetzt. Interessant wurde die lokale Vernetzung durch das Aufkommen der PCs und als die ersten Versuche gelangen, PCs mittels Modems über Telefonleitungen zu verbinden. Durch die Möglichkeit, die universitären Infrastrukturen mitzubenützen, entstanden weltweit unabhängige Netzwerke, die sich nach dem Rückzug der ARPA aus der Verwaltung des ARPANET zum Internet zusammenschlossen [siehe auch Elisabeth Binder, frauenonline, Wien 1997, S.14]. Kommerzielle Provider wie CompuServe und AOL begannen, online-Dienste anzubieten.
"Der offene, nicht auf Eigentumsrechten basierende Ansatz für Internet-Normen hat es den Unternehmen leicht gemacht, die von anderen gemachten Fortschritte zu nutzen und auf ihnen aufzubauen."
[Green Paper on the Convergence of Telecommunications, Media and Informationtechnologies 1998; http://www.ispo.cec.be/convergencegp/greenp.html.]

Das enorme Wachstum der Infrastruktur und das Interesse der Wirtschaft waren eine Reaktion auf das Wachstum der Zahl der InternetnutzerInnen und der fürs Internet entwickelten Anwendungen und Software-Tools. Durch die Verbesserung der BENUTZERINNENSCHNITTSTELLEN, speziell durch das WWW [World Wide Web], wurde die Handhabung des Internet erleichtert und die Schwellenangst verringert, die neue Technologie aktiv zu nutzen. Das Internet wurde dadurch neben Bit-Net, Fido-Net und anderen Netzen zum meist benützten Kommunikationsnetzwerk. Es wurde zum Medium der Zivilgesellschaft, die es für ihre Zwecke adaptiert.

Durch die Möglichkeit, interaktiv und selbstgestaltend mitzuwirken, hat das Internet das Informationsmonopol der traditionellen Einwegmedien, Rundfunk und Television, aufgebrochen. Die von den BenutzerInnen über das Netz transportierten Inhalte sind selbstbestimmt und nicht von institutionalisierten Instanzen gefilterte Informationen. Information wird mitterweile als das neue Kapital der Zukunft gesehen. Basis für die technologische Zusammenführung der einzelnen gesellschaftlichen Bereiche bildet die DIGITALE KODIERUNG. Neue Begriffe rund um die Anwendung digitaler Technologien haben sich rasch herausgebildet und werden mit gesellschaftlichen Metaphern versetzt. Die Rede ist von Informationsgesellschaft, Technopol, Telekratie, CyberSociety, Netzpolitik, Kommunikationskultur, digitale Revolution, Mediendemokratie.
1.2 Medientheoretische Aspekte

Der Medialisierung der Gesellschaft voraus gingen die gesellschaftlichen Erneuerungsbewegungen der 60er, 70er und 80er Jahre [Hippie - Flower Power, Friedensbewegung, Feminismus, Grün- und Ökologiebewegung, Soziokulturelle Zentren, Jugendkultur, ...]. Diese Bewegungen können als Parallel- oder Vorphänomene der elektronischen Vernetzungskultur betrachtet werden. Alternative Lebenskonzepte, verbunden mit soziokulturellen Ansprüchen, legten mentale Grundsteine für die VERÄNDERUNG VON WERTEN [Themen wie Dezentralisierung, Abwendung von Hierarchieformen und Abschaffung des Herrschaftssubjekts wurden z.B. vehement in der Frauenbewegung diskutiert]. Die Erneuerungsbewegungen haben sich parallel zur Technologisierung der Gesellschaft weiterentwickelt, sie sind die Anwältinnen für die Umsetzung von Demokratisierungsprozessen geblieben.

Es waren unzählige Privatinitiativen, Computerfreaks und Hacker, die das Netz mitaufgebaut und getragen haben, lange bevor es in der breiten Öffentlichkeit attraktiv war, via Internet zu kommunizieren. Die Anwendung des Internets für politische Ziele, für soziale Anliegen, künstlerische, kreative Ausdrucksformen ist außerhalb, neben den universitären Einrichtungen gewachsen.

Die Vormachtstellung der Vereinigten Staaten in der High-Tech-Kultur hat mit dem sogenannten "Hinterhof- und Garagenphänomen" zu tun. Es beschreibt die Experimentierfreudigkeit junger AmerikanerInnen, die in den 60er und 70er Jahren in Garagen an Computern herumbastelten und später große Firmen gründeten. Die Entwicklungen wurden von "unten" mitausgelöst, ebenso die Ansätze zu den neuen virtuellen Gemeinschaften, deren Handlungs- und Denkspielraum sich über die "magischen Kanäle" [McLuhan] auszudehnen begann. Der Leitspruch: "Act local, think global" wurde mit dem Internet zu einer greifbaren Handlungsdevise. Die Utopie der digitalen Stadt wurde in Amsterdam [De Digital Stad Amsterdam/NL: http://www.dds.nl] realisiert und setzte neue Maßstäbe der BürgerInnenbeteiligung. Versuche, sie zu kopieren, scheiterten oft am [budgetär] eng gesteckten Horizont: Digital City Linz [http://www.linz.at] nennt sich zum Beispiel die Initiative der Stadtverwaltung in Linz. Die Wurzeln dieser Bewegungen liegen allerdings anderswo:
"Die tiefsten Wurzeln der virtuellen Stadt sind [..] in der Tradition der unabhängigen Medien und der Hausbesetzerszene, mit ihren Privatsendern und Zeitungen, zu finden. [...] man wollte einfach selbst eine Form von Öffentlichkeit bzw. Gegenöffentlichkeit schaffen. [...] der erste Grundstein wurde von Computerhackern und jenen Leuten, die Ende der 80er Jahre mit den Mailboxen begonnen haben, gelegt."
[Werkstattblätter 1/1996]

Ohne diese Initiativen wäre das Netz weitgehend inhaltsleer geblieben und hätte nicht diese offene und interaktive Struktur erhalten und beibehalten. Jede neue Technologie evoziert eine Verschiebung der bestehenden Wertmaßstäbe. Die Demokratiediskussion - im Netz sowie auch außerhalb des Netzes - ist die Begleiterscheinung der geänderten Kommunikationsformen. Das SenderInnen-EmpfängerInnen-Modell ist nicht für den vielschichtigen, auf elektronischem Wege in Form von Bits übermittelten Informationstransfer zugeschnitten. Durch die Vielfalt der Schnittstellen, die die Betriebssysteme der Rechner miteinander verbinden, entsteht ein Bedarf an Formen, zu denen vor allem die Umgangsformen zählen. Die Möglichkeit, daß es zu einer Demokratiediskussion durch das Netz kam, ist vielen einzelnen Personen, Initiativen und Gruppierungen zu verdanken, denen die neuen Umgangsformen, die "Netiquette" [Etiquette im Netz], Meinungsfreiheit, Meinungsvielfalt, Gleichberechtigung und Menschenwürde ein Anliegen ist. Ein Symbol dafür ist das Blue Ribbon, in Anlehnung an das Red Ribbon, das für die Solidarität mit Aidserkrankten steht.

Das "blaue Band" ist das Zeichen für die Forderung nach "Free Speech", der Meinungsfreiheit im Internet:
"Eine blaue Schleife wurde als Symbol für die Erhaltung von Grundrechten in der elektronischen Welt gewählt. Das blaue Band soll als Zeichen für die Unterstützung der wesentlichen Menschenrechte auf freie Rede getragen und gezeigt werden. Dieser grundlegende Block einer freien Gesellschaft, bestätigt durch einen Gesetzesentwurf der U.S.A. von 1791 und durch eine U.N. Deklaration zu den Menschenrechten von 1948, ist 1996 einem Antrag der Telefongesellschaften geopfert worden. Das BLUE RIBBON soll ein Weg sein, das Bewußtsein zu diesem Thema zu erhöhen, um damit diesen leisen Protest hörbar zu machen."
[Blue Ribbon, http://members.aol.com/iqmm/blue_ribbon/br-info.html]

Der Aufforderung, das Blue-Ribbon-Icon auf die eigenen Websites zu übernehmen, kamen viele nach - ein Beispiel, wie im Internet Allianzen geschlossen und Themen verbreitet werden. Das Internet ist als Medium für alle zugänglich und daher ist vor einer kommerziellen Vereinnahmung dieser Kommunikationsplattform zu diskutieren, WIEVIEL GEISTIGER FREIRÄUME EINE GESELLSCHAFT BEDARF. Die virtuellen Gemeinschaften basieren auf freiwilliger Basis, sie wurden ermöglicht mit Hilfe von Pionierarbeit und öffentlichen Forschungsgeldern, die in den Aufbau von nationalen und internationalen Verbindungen investiert wurden. Die Pionierarbeit der zivilen, virtuellen Bewegungen bestand und besteht vor allem in der Vorgabe mentaler Strukturen im Netz, die in alle Gesellschaftsbereiche hineinwirken: Offene Strukturen, neue Lernformen, bei denen die Produktion von Wissen und nicht das Reproduzieren im Vordergrunde steht. Dezentrale Handlungsformen, Unterstützung und Toleranz, Kooperation, interdisziplinäre Ansätze und spartenübergreifendes Denken und Internationaler Austausch sind die Stichworte dieser neuen Kultur im Netz.

Das Medium ist nicht nur Träger dieser Botschaft, sondern vermittelt und transportiert durch seine Strukturen diese neue Form von Community. Es vermittelt den Einzelnen die Botschaft, die eigenen Anliegen vertreten zu können, und das Gefühl einer neuen Beteiligungsmöglichkeit an der Gesellschaft ist die eigentliche Informations-Revolution. Es ist eine mentale Revolution, die über das Medium, seine Strukturen und Inhalte ausgetragen wird.

Der Abkehr von konservativen Wertvorstellungen hin zu Bewegungsfreiheit, Mobilität, Kommunikation, Austausch zwischen den Menschen, der friedlichen und zivilen Nutzung der Medien, steht die Gefahr der Maschinisierung und Cyborgisierung der Individuen, die Zunahme technokratischer Systeme und Kontrollinstanzen gegenüber. Neben der EMANZIPATION gibt es einen Trend zu einer DURCH DIE TECHNIK VERMITTELTEN UNMÜNDIGKEIT [Ideologien und Technologien verhalten sich im Extrem durch ihr Bedürfnis nach Kontrolle wie zwei Seiten einer Münze]. Lange Zeit abseits von den großen Diskursen der Gesellschaft, aber mitten im Netz, haben sich neue Formen der Identitäten und Gemeinschaften gebildet, die sich nicht über ideologische Sinnstiftungen begreifen - eine Netzkultur mit neuen Umgangsformen entstand. Das Medium wurde zur Basis für kooperative Handlungsformen. Die offene, d.h. plattformunabhängige Architektur und dezentrale Anlage spielte dabei eine wichtige Rolle. Das Medium und die Aktions- und Nutzungsformen beeinflußten sich gegenseitig und führten zur Weiterentwicklung und Ausgestaltung bestimmter Anwendungsprogramme. Newsgroups, Mailinglist, IRCs [Internet Relay Chat], eMail und die Möglichkeit zur Veröffentlichung im WWW waren/sind sehr attraktive Formen der Teilnahme an der digitalen Kommunikation. Die Newsgroups [Elektronische Anschlagebretter] bieten für alle etwas. Es gibt Diskussionen zu Kultur und Gesellschaft, politische Debatten, Kochrezepte, Sex, Plauderei, Computerfragen usw.

Das Internet ist das Medium, Meinung öffentlich zu machen, von anderen "gehört" zu werden - um zu kommunizieren. Verbindungen zu anderen, assoziierten und nahestehenden Menschen, Themen, Institutionen, Vereinen und Bereichen werden über Links signalisiert. Damit werden auf einer inhaltlichen Ebene Vernetzungen hergestellt. Eine weitere Möglichkeit der Kontaktaufnahme bietet die eMail-Adresse. Sie prangt meist auf der eigenen Homepage [Einstiegsseite] und signalisiert: Schreibe mir! Und wer freut sich nicht über einen vollen elektronischen Briefkasten mit netten Botschaften, interessanten Informationen und neuen Kontakten.

Abgesehen von Technikverliebten, die das Medium um ihrer selbst willen verehren, liegt das Hauptfaszinosum des Internet darin, daß es die Möglichkeit der INTER-AKTIVITÄT bietet. Im Gegensatz zu traditionellen Medien kann das Internet gleichzeitig eine Vielfalt von Kommunikationsmethoden bearbeiten und transportieren, die Kommunikationsform kann gewechselt werden: eine/r-zu-einem/r, eine/r-zu-vielen, viele-zu-vielen ist möglich, auch innerhalb von Anwendungsprogrammen. Ein/e Internet-BenutzerIn kann abwechselnd sprechen und hören, wodurch öffentliche Kommunikation [deren Inhalt zumindest im Bereich des Rundfunkwesens traditionellerweise reguliert ist] mit privater Kommunikation [traditionell unreguliert] gemischt wird. Freie Radios stellen wie im Falle von Radio FRO, einem Lokalsender in Oberösterreich, Zugänge zu Trainings-, Produktions- und Verteilungsmöglichkeiten zur Verfügung. Sie ermutigen und fördern die lokale Szene und laden zur aktiven Beteiligung ihrer HörerInnen ein.

Inter-Aktivität kann aber auch anders begriffen werden. Als Interaktion mit den Geräten, als Mensch-Maschinenkommunikation: Im "Green Paper on the Convergence of the Telecommunications, Media and Information Technology Sectors, and the Implications for Regulation 1997" wird darauf hingewiesen, daß sich die Jugend bereits für Interaktivität entscheidet. Laut einer Studie von Arthur Andersen stellen Videospiele alleine in einigen Märkten fast 20% des gesamten Medienkonsums der unter Sechzehnjährigen. An anderer Stelle wird darauf hingewiesen, neueste Untersuchungen des Nutzerverhaltens haben ergeben, daß WebnutzerInnen bereits 59% weniger fernsehen als der Durchschnitt.

Ein Trend zur Interaktivität zwischen Menschen und/oder zwischen Mensch und Maschine? Wohl beides und immer öfter vermischt.
1.3 Netzwerkcommunity

Innerhalb des Internet haben sich virtuelle Gemeinschaften gebildet, die mittlerweile als Vorbild für ein neues Gesellschaftsmodell dienen. Die METAPHER DES NETZES wurde zum zentralen Begriff der Kommunikationsgesellschaft. Kommunikation und Information werden als das Kapital der Zukunft gesehen. Die Metapher des Netzes hat neben kulturwissenschaftlich interessanten Aspekten ideengeschichtlich ihren Platz in der politischen Theorie: Hannah Arendt umschrieb das Miteinander, das aus Handeln und Sprechen entsteht, mit der Metapher des Gewebes: "Wir nennen diese Wirklichkeit das Bezugsgewebe menschlicher Angelegenheiten, wobei die Metapher des Gewebes versucht, der physischen Ungreifbarkeit des Phänomens gerecht zu werden." [Hannah Arendt, Vita Activa oder Vom tätigen Leben, S.173] Im digitalen Zeitalter ist das Web die große neue Metapher für ein Miteinander, an dem alle teilhaben und mitwirken können. Teil dieser neuen Community sind alle, die im Netz leben, arbeiten, spielen, planen etc. World Wide Web [WWW] wird verschieden besetzt und übersetzt: spaßhaft mit World Wide Waiting [wegen der oft langsamen Datenübertragung der Seiten im WWW], mit Woman World Wide - die Netzmetapher wurde von Feministinnen eng mit ihren politischen Anliegen verbunden. Denn sie war nicht neu und versinnbildlichte bereits in den 70er Jahren solidarisches Handeln zwischen Frauen weltweit. Der Gebrauch des Internet schließt an bestehende Traditionen feministischer Praxis an.

Bemerkenswert ist vor allem die Verschiebung zwischen privaten und öffentlichen Räumen. Der Begriff der Öffentlichkeit begann sich durch neue Arbeits- und Lebensformen zu verändern, die mit der Virtualisierung und Computerisierung in Zusammenhang stehen. In den 70er und 80er Jahren wurde von Feministinnen der Slogan geprägt: "Das Private ist politisch." Das Private wurde zu einer politischen Kategorie, der Bereich des Privaten zum Kern der Herrschaftskritik. Denn es ist traditionell jener Bereich, in den Frauen zurückgedrängt wurden, und das hat System. Die Verunmöglichung einer Teilhabe am öffentlichen Leben bedeutete für Hannah Arendt eine wesentliche Beraubung der menschlichen Möglichkeiten. Es bedeutet eben nur privat zu sein, im Verborgenen zu bleiben und keine BürgerInnenrechte zu besitzen. Und da man nur öffentlich erscheinen kann, indem man [frau] eine Person des öffentlichen und damit politischen Lebens ist, so sind alle, die nicht erscheinen, in gewisser Weise unwirklich. Öffentlich ist für Arendt
"Alles, was vor der Allgemeinheit erscheint, für jedermann sichtbar und hörbar ist, wodurch ihm die größtmögliche Öffentlichkeit zukommt. Daß etwas erscheint und von anderen genau wie von uns selbst als solches wahrgenommen werden kann, bedeutet innnerhalb der Menschenwelt, daß ihm Wirklichkeit zukommt."
[Hannah Arendt, Vita activa, S.49f.]

Durch die neuen Arbeitsformen im Netz haben sich die traditionellen Grenzen verschoben. Der Wechsel zwischen öffentlicher und privater Kommunikation wird mit dem Computer per Internet möglich. Private und öffentliche Grenzen verschwimmen und beginnen sich zu überlagern. Der Computer wird als Fenster zur Welt begriffen. Neue Spiel-Formen sozialer virtueller Realitäten entstehen. Im Netz ist es leichter, die Identität zu wechseln, verschiedene Teile der Persönlichkeit zu erproben. Es ist eine Chance, mehrere "Aspekte des Selbst" kennenzulernen. [Sherry Turkle, Leben im Netz 1998, S.285f.].

Wie sehen diese neuen Identitätskonzepte aus? Durch die Ausweitung der Kommunikationsmöglichkeiten ist das Kennenlernen von anderen leichter geworden: Es ist einfacher geworden, aus den privaten Räumen herauszutreten und im Netz an öffentlichen Gesprächen teilzunehmen. Die Angst, daß das Öffentliche in den magischen Kanälen verschwindet, teile ich nicht: Es verlagert sich, neue Orte entstehen als Ausgleich zur Arbeit vor dem Bildschirm. Die Prognose, daß weniger Menschen durch die Möglichkeit des Netzes mobil sein werden, ist nicht eingetroffen. Im Gegenteil: Immer mehr wollen mobil sein, suchen das Grüne als Augentrost. Das Bedürfnis nach Oasen der Ruhe steigt, die Gartencenter boomen, der Körperkult hält unvermindert an. Die Öffentlichkeit verschwindet nicht, sie verlagert sich ins Politische hin zu den BürgerInnenbewegungen. Stichwort: Zivilgesellschaft.

Das Bedürfnis nach Mitbestimmung wird regional stärker, ökologische Projekte werden von Einzelinitiativen unterstützt [z.B. Windkraftwerke]. Die BürgerInnen nehmen ihre Angelegenheiten, das Politische, selbst in die Hand. Ziviler Ungehorsam gegen Obrigkeitsstrukturen nimmt zu und wird "salonfähig", Kritik und Widerstand gegen althergebrachte "k. u. k. Hofetiquetten" regen sich. Die Zeit der Politikverdrossenheit hat bewirkt, daß mehr Eigeninitiative eingebracht wird. Traditionelle Parteienpolitik mit ihren veralteten Strukturen ist für viele nicht mehr attraktiv, und deshalb ereignet sich das Politische immer mehr abseits vom "Hohen Haus". Die AnwältInnenschaft wird selbst übernommen, wie zum Beispiel durch die Freien Radios mit ihrem Anspruch auf Offenheit, Public Access und Unterstützung benachteiligter Gruppen:
"Freie Radios geben allen Personen und Gruppen die Möglichkeit zur unzensierten Meinungsäußerung und Informationsvermittlung. Vorrang haben dabei ethnische Minderheiten und solche Personen und Gruppen, die wegen ihrer gesellschaftlichen Marginalisierung oder sexistischen und rassistischen Diskriminierung in den Medien kaum oder nicht zu Wort kommen."
[Radio FRO, http://www.fro.at]

Der Anspruch auf Öffentlichkeit für alle, insbesonders für jene, deren Meinungen in den traditionellen Medien nur marginal wiedergegeben werden, wird verteidigt. Die Möglichkeit der Informationsverbreitung macht es für alle zivilen Bewegungen interessant. Die oft geäußerte Angst vor der Informationsflut [informational overkill] enthält auch einen konservativen Kern. Die Tatsache, daß mit dem Medium Inhalte verfügbar und kostengünstig angeboten werden können, die bislang wenig Chancen auf Ver-Öffentlichung hatten, ist für Strukturkonservative ein Problem. Die Fülle an Informationen hängt damit zusammen, daß neben den traditionellen Medien wie Bücher, Fernsehen, Radio plötzlich viel mehr Menschen Informationen und Wissen anbieten können. Dieser Kulturschock, daß aus KonsumentInnen und RezipientInnen ProduzentInnen werden, muß erst verarbeitet werden, vor allem von jenen, denen die Meinungsmonopole und die Steuerung der Filter dienlich waren. Die Filterung von Inhalten, gekoppelt an Publikationsmöglichkeit und Reputation, ist auch im Wissenschaftsbereich üblich, umso mehr wird Informationsfülle als bedrohliche Informationsflut definiert, und nicht als Chance einer erweiterten Wahrnehmung.
"In Deutschland filtern die Parlamente der Hochschulen, die Leitungen der Institute, die Kultusministerien, die Gremien in der deutschen Forschungsgemeinschaft, das BMFT, die Forschungs- und Entwicklungsabteilungen der Firmen und insbesonders die wissenschaftliche Redaktionen und Verlage die Beiträge des wissenschaftlichen Diskurses. Diese Organisationen, die sich um den wissenschaftlichen Diskurs herum gebildet haben und diesen strukturieren, betreiben mit der Steuerung ihrer Filter Wissenschaftspolitik ... Das Angewiesensein auf Fürsprache durch gut positionierte Machthaber offenbart die Sozialverhältnisse an den Hochschulen als persönliche Abhängigkeitsverhältnisse".
[Martin Rost, Die Netz-Revolution, Eichborn 1996, S.169]

Rost folgert, das Wissenschaftssystem würde viel leistungsfähiger werden, wenn man das Internet zum Standardmedium für den wissenschaftlichen Diskurs einsetzen würde.

In manchen Kreisen wird die Vielfalt des Mediums nur unter bestimmten Gesichtspunkten und im Hinblick auf die Wirtschaft betrachtet. Das kulturelle Potential und die ethische Dimension der Netzwerkcommunity, einer Gemeinschaft von BürgerInnen, spielt dabei nur eine sekundäre Rolle:
"Europa hat eine gute Ausgangsposition, um diese Herausforderung anzunehmen, indem es seine kreativen Kapazitäten und die Viefalt der kulturellen Umfelder unter seinem Dach ausnutzt. Da sich die EU Produktion jedoch nicht sehr schnell erhöht, muß die EU die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Unternehmen stärken, so daß die Öffentlichkeit die Möglichkeiten, die die neuen Medien bieten, maximal nutzen kann und Marktwachstum sich in Arbeitsplätzen niederschlägt."
[Green Paper 1997]

Formulierungen dieser Art machen deutlich, daß die Vielfalt der Kultur und die Interessen der BürgerInnen nur unter Kriterien der Funktionalität betrachtet werden: Marktwachstum, Wettbewerbsfähigkeit, Arbeitsplätze, Flexibilisierung, Rationalisierung. Das Informationszeitalter ist nicht ident mit der ersten industriellen Revolution, in der Kohle und Dampfenergie den Arbeitsablauf beschleunigten und die Uhr zum Zeitmesser sämtlicher Lebensprozesse wurde. Im Mittelpunkt der neuen Technologien steht der Mensch und die Frage, in welcher Form die neuen Technologien angewendet werden sollen. Denn Funktionalität ist nicht die Antwort auf ethische Fragen.
1.4 Zugänge und Entwicklungen
"Nicht die Computer als solche bereiten mir Kopfzerbrechen, es ist die Kultur, die sie umgibt."
[Clifford Stoll]

Wie sieht die Gestaltung von technischen Möglichkeiten aus und welche sozialen und politischen Folgen ergeben sich aus diesen Entwürfen? Was wird zuwenig analysiert? Globale Informationsgesellschaft, Datenautobahn, Multimedia sind Themen, die die Öffentlichkeit mittlerweile beschäftigen. Und auch wenn sie es nicht tun, entkommen sie nicht den täglich verbreiteten euphorischen Meldungen über Wachstumszuwächse am Internet oder den Horrormeldungen über Pornographie und Forderungen nach Zensur. Solche Thematisierungen lenken ab von den tatsächlichen Problemen der Gesellschaft:

Denn auch vor dem Internet gab es bereits sexuellen Mißbrauch und Gewalt gegen Kinder, faschistisches Gedankengut, Übergriffe in die Privatsphäre. Themen also, die nicht erst mit dem Medium Internet entstanden. Das Medium kann nicht besser oder schlechter sein als die Menschen, die es nutzen und mit Inhalten füllen.

Tatsache ist, daß derzeit der Durchschnittsuser männlichen Geschlechts [86%] ist, Matura oder Hochschulabschluß hat. Das Betreiben der Technik um ihrer selbst willen ist beim männlichen Geschlecht, wie Studien belegen, sehr ausgeprägt. Das ist nicht nur ein kulturell vermitteltes Verhalten, sondern auch eine Frage des Zeithaushalts. Welchen Zugang haben Frauen zum Netzwerk? Worin unterscheidet sich die Nutzung? Die bei Männern ausgeprägte Technikeuphorie beinhaltet das Grundproblem, daß allein in Technologie vertraut und investiert wird, anstatt nach der Kultur zu fragen, die mit der Technik transportiert wird. Technik wird zur Lösung aller Zukunftsprobleme hochstilisiert.
"Man wiederholt, so scheint es, einfach die Formeln der bürgerlichen Revolution von der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, doch man setzt sich nicht mit ihrer brüchigen Basis auseinander, mit der Teilung der Welt zwischen Armen und Reichen. Man wendet sich von der sozialen Realität ab und glaubt, daß die Ideale sich aus den neuen Techniken wie von selbst realisieren werden."
[Florian Rötzer, Die Telepolis 1995, S.94]

Umbrüche können gesellschaftliche Brüche für kurze Zeit drastisch sichtbar werden lassen. Die Frage, ob die hierarchische, geschlechtsspezifische Arbeitsteilung sich verfestigt oder durchlässiger wird, gewinnt durch die technologischen und arbeitsorganisatorischen Umbrüche eine neue - nationale und internationale - Bedeutung.
"In Nicht-Industrialisierten Ländern stellt sich die Frage der Freiheit vorerst in Form des Zugangs zur weltweiten Telekommunikation. Dieser Zugang ist primär eine finanzielle Frage, und ist auch durchwegs nicht nur Problem kapitalschwacher Staaten, sondern in weiterer Folge auch ein individuelles Problem, das geschlechtsspezifische Merkmale aufweist. Am Beispiel Internet haben europäische Untersuchungen gezeigt, daß der Frauenanteil unter den NetznutzerInnen zwischen 4 und 24 Prozent schwankt, und im Vergleich zur Gesamtbevölkerung Bildung und Einkommen der UserInnen überdurchschnittlich hoch sind. Computerausrüstung, Auf- und Umrüstung und eine durchschnittliche Netzfrequenz von 1-2 Stunden am Tag kosten Geld und Zeit und stehen meistens auch in einem beruflichen Zusammenhang."
[Irmgard C. Klammers, Alte und neue Medien, Der menschliche Körper als Schnittstelle/Interface der modernen Tele-Kommunkationstechnologie 1998, S.100]

In Österreich liegt der Anteil der Frauen bei rund 10 Prozent, in den Vereinigten Staaten bei 30 Prozent - nach Angaben von "frauenonline, eine Einstiegshilfe für Frauen in das Internet", die vom Frauenbüro der Stadt Wien herausgegeben wurde. Das Computerverhalten wird früh geprägt. Helga Jungwirth weist auf Anzeichen hin, daß Eltern von sich aus eher bereit sind, ihren Söhnen als ihren Töchtern einen Computer zu kaufen; insbesondere solche, auf denen nicht nur gespielt werden kann. Unter den Jugendlichen, die keinen hatten und sich einen wünschten, sind es dreimal soviel Mädchen wie Buben. [Siehe Helga Jungwirth, Computerspielen und Geschlechtsrollenbilder 1996, S. 33f.] Diese Bevorzugung der Buben kann auch dazu beitragen, daß Mädchen die Ansicht entwickeln, Technik sei Männersache. Daß sie weniger praktische Erfahrung mit dem Computer haben und ihn auch später mehr als ein Mittel zum Zweck betrachten, hängt mit den Geschlechtsrollenbildern und der Rollenaufteilung zusammen.

Der Technikzugang spiegelt sich auch im Internet wider. Männer betrachten den Computer als Spielzeug, für viele Frauen ist er Gebrauchsgegenstand, weil Frauen generell weniger Zeit zum Spielen haben: Von 100 befragten Frauen nannten 77 zuwenig Zeit als Grund. Die Internetnutzung ist nicht nur ein geschlechtsspezifisches Phänomen, sie ist auch eine Bildungsfrage. Interessant ist die Tatsache, daß laut einer amerikanischen Studie Frauen, die sich im Internet bewegen, höhere Positionen und ein höheres Einkommen als ihre männlichen Gegenstücke haben. [Frau '98, Beilage der "Oberösterreichischen Nachrichten" vom 27.2.1998, S.14] Generell kann gesagt werden, daß die Bereitschaft, das Medium zu verwenden, vom Bildungsgrad abhängt. Erstens ist die Nutzung noch nicht einfach. Zweitens signalisiert die Bereitschaft, sich mit anderen Inhalten auseinanderzusetzen, ein gewisses Maß an Aufgeschlossenheit. Die Anbindung an die Welt der globalen Kommunikation kann Toleranz erhöhen, die Möglichkeit, jenseits der Nachrichten Informationen erhalten zu können, erweitert den Horizont. Besonders Frauen, die einmal auf den Geschmack gekommen sind, schätzen die Möglichkeit, im Netz "sich mit internationaler, interaktiver Kommunikation zu versorgen" [Dale Spender 1996]. Spender geht davon aus, daß die Abneigung von Frauen gegenüber dem Umgang mit Computern abnehmen würde, wenn sie das Umfeld mitgestalten, ihre Sicht, Methoden und Werte einbringen würden. Die Zahl der von Frauen gestalteten Websites und Plattformen nimmt zu und damit auch die Anzahl der Userinnen, weil es für Frauen interessanter ist, die eigenen Räume zu gestalten und mit Themen zu besetzen. Mittlerweile sind jede Menge Ressourcen über Suchprogramme und Frauensites verfügbar. MÄDCHENFÖRDERUNG hätte in den Schulen und in der Erziehung insgesamt eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe zu erfüllen.

Die ehemalige Frauenministerin Helga Konrad forderte die Teilung der sogenannten Technologiemilliarde [im Jänner 1997 vereinbarten die RegierungspartnerInnen, aus dem Verkaufserlös der CA-Anteile drei Milliarden der Technologieförderung zu widmen] in halbe/halbe. Denn noch immer befänden sich zu wenige Frauen in Entscheidungspositionen, zu wenig weiblicher Nachwuchs in den Berufsfeldern der sogenannten Zukunftstechnologien. Fehlentwicklungen in der Gen- oder Nukleartechnik sind das Ergebnis männlicher Allmachtsphantasien. Wenn Männer im Reagenzglas oder auf dem Bildschirm neue Lebensmodelle entwerfen, kann das für nachfolgende Generationen katastrophal enden. [Standard, 31.1.1997, Kommentar der anderen, S.47; http://derstandard.at/arc/19970131/118.htm]

Die Aufteilung der Technologiemilliarde halbe/halbe für Männer und Frauen ist als Thema mit Ministerin Konrad abgetreten. Nach wie vor ist die Frage nach der Veränderung des Konsumverhaltens scheinbar das gesellschaftlich relevantere Thema. Die Befürchtung, das Internet werde das Buch ersetzen, ist nicht eingetroffen: Untersuchungen, welche Aktivitäten von zunehmender PC-Benutzung verdrängt werden, zeigen, daß das Fernsehen und nicht etwa Bücher- oder Zeitschriftenlesen oder klassische Videospiele die Hauptverlierer sind. Nach einer Studie von Price Waterhouse verbringen junge amerikanische Erwachsene zwischen 18 und 35, die vorher 4 Stunden pro Tag fernsahen, jetzt eine dieser Stunden mit "Netz-Surfen".

Der Aufbruch, der durch neue Formen des Publizierens entstand [unzensuriertes Veröffentlichen ohne Verlage], wird auf der anderen Seite durch Medienkonzentration und Kartellbildung im Bereich der Medientechnologie gefährdet. So werden z.B. öffentliche Mautstellen und Zugangsbeschränkungen im virtuellen Raum entstehen, wenn die öffentliche Hand zuwenig Mittel investiert in eigene Netzwerke, und der freie Zugang zu den Informationen keinen POLITISCHEN COMMON SENSE darstellt.

Die EntscheidungsträgerInnen der Bildung, Kultur und Kunst sollten den Trend wahrnehmen und der Verkommerzialisierung und Konzernbildung entgegensteuern. Aber es scheint, daß auf nationaler Ebene der Zug bereits im Bereich der Telekommunikation abgefahren ist, und eine eigenständige Technologiepolitik sich erübrigt:
"Die Möglichkeit, eine sektorspezifische, nationale Industrie- und Technologiepolitik zu betreiben, ist nach Auffassung der Experten kaum mehr vorhanden, da die Globalisierung des Wettbewerbs und die rasche Zunahme der Unternehmenskonzentration dazu führt, daß die in Österreich angesiedelten Anbieter von Telekommunikationssystemen und -komponenten überwiegend nur mehr Bestandteile von internationalen Konzernen sind und daher nur in Ausnahmefällen selbständig strategische Entscheidungen treffen können."
[Studie im Autrag der Bundesministerien für öffentliche Wirtschaft und Verkehr sowie für Wissenschaft und Forschung: Telekommunikation im Umbruch/Innovation, Regulierung, Wettbewerb 1994, http://www.bmwf.gv.at/7forsch/fober96/27beisp.htm]

Der Kampf um neue KundInnen ist im Telekommunikationssektor besonders groß, der Trend geht in Richtung Zusammenschluß von AnbieterInnen und Ausweitung von Diensten. KabelbetreiberInnen erbringen zusätzlich zu ihrem traditionellen Geschäft der Programmausweitung eine Reihe von Telekommunikationsdiensten - in einigen Mitgliedstaaten sogar Sprachtelefon - und beginnen mit dem Einsatz von Kabelmodems, um Hochgeschwindigkeits-Internet anbieten zu können. Auch in Österreich interessiert sich die Firma "Telekabel" für neue Kunden. Eine höchst merkwürdige Verschwisterung ist die Kooperation der Universität Wien mit der Firma "Telekabel". Schon bald wird es ein spezielles Internet-"Package"geben, das allen Studierenden und MitarbeiterInnen der Universität Wien, die über einen Telekabelanschluß verfügen, ein deutlich günstigeres Angebot als für "Universitätsfremde" bieten. Gelungenes Lobbying - nur wer wird sich für andere Bevölkerungsschichten einsetzen?

Eine andere problematische Entwicklung ist mit der sogenannten Torwächterproblematik [gate-keeper] gegeben: Diese wurden ausgelöst durch die Möglichkeit, Browser als Bestandteile von Softwarepaketen zu verkaufen oder gar voll in die Software zu integrieren. Die verschiedenen "Windows"-Versionen sind weltweit in neun von zehn Computern installiert. Durch die Koppelung von Betriebssystem und Browser ist es "Microsoft" in den vergangenen Monaten gelungen, die Vormachtstellung des Konkurrenten "Netscape" mit seinem Internet-"Navigator" zu brechen. Dem Konzern wurde von den US-Behörden die Ausnützung einer Monopolstellung vorgeworfen, eine Klage ist derzeit anhängig.
2. Politische Gestaltung des digitalen Raums und demokratiepolitische Nutzung des Neuen Mediums

Die neuen Technologien stellen eine Herausforderung an die Visionsfähigkeit der Politik dar und werden an den realen Umsetzung gemessen werden. Die politische Willensbildung in Richtung freier Zugang, Public Access, wird dabei eine entscheidende Rolle spielen müssen.
2.1. Virtuelle Öffentlichkeit: Bedeutung und Rolle virtueller Gemeinschaften

Jede neue Technologie zieht Analysen und symbolische Betrachtungen nach sich. Prognosen zufolge wird die Informationsgesellschaft genauso große Auswirkungen auf die Gesellschaft und Beschäftigungsverhältnisse haben, wie die industrielle Revolution vor einhundert Jahren. Sind die politischen EntscheidungsträgerInnen auf diese tiefgehenden Wandel der Gesellschaft in Österreich vorbereitet? Im Vordergund der Betrachtung sollte der - lange Zeit vernachläßigte - soziale Kontext bei der Planung und Gestaltung der zukünftigen Telekommunikationsgesellschaft eine entscheidende Rolle spielen.

Im Green Paper 1997 wird darauf hingewiesen, daß die neuen Technologien das Potential haben, sich auf jeden Aspekt unseres Lebens auszuwirken: "auf unser Heim, unseren Arbeitsplatz, den Zugang zum Gesundheitswesen, das Management, das Anbieten öffentlicher Dienste und die Teilnahmeformen der Bürger in einer demokratischen Gesellschaft." Die Kommission weist den Regierungen wesentliche Aufgaben zu. Die Politik ist aufgefordert, sich nicht aus dem Bereich der Telekommunikation zurückzuziehen und die Entwicklung und Regelung der freien Marktwirtschaft zu überlassen. Wichtig sind vor allem die Bedürfnisse der UserInnen und DIE FÖRDERUNG EINER NETZWERKKULTUR, die breiten Zugang zu den neuen Ressourcen der Gesellschaft garantiert.
"Jeder rechtliche Rahmen sollte vornehmlich darauf abzielen, den Bedürfnissen der Nutzer zu entsprechen, und zwar im Hinblick auf mehr Auswahl, ein verbessertes Dienstleistungsangebot und niedrigere Preise; Gleichzeitig müssen Verbraucherrechte und das allgemeine öffentliche Interesse garantiert werden. Ein derartiger Ansatz stimmt vollständig mit grundlegenderen politischen Zielen überein, indem die wichtige Rolle vieler konvergenter Bereiche für die Realisierung der Informationsgesellschaft im täglichen Leben der Bürger anerkannt wird."
[Green Paper 1997]

Wir befinden uns, wie es scheint, an einer Weggabelung zwischen "Big Brother", dem Inbegriff der totalen Kontrolle aus George Orwells Roman "1984", und etwas wie dem antiken Athener Marktplatz, dem Forum für die griechische Volksversammlung mit Redefreiheit und Stimmrecht, gewissermaßen der Wiege der Demokratie, so Siegmar Mosdorf [Zwischen Big Brother und dem Marktplatz von Athen. In: Spektrum, August 1996, Heidelberg, S.45]. Steuerungen sind daher notwendig, wenn man sich für die Demokratie entscheidet. Umgelegt auf das Internet, mit dem diese Hoffnungen einer medialen Demokratie mit mehr Mitbestimmung verbunden werden, bedeutet dies für die Domäne der Politik, daß sie sich durch die Liberalisierung des Telekommunikationsmarktes nicht von allgemein öffentlichen Interessensanliegen abwenden darf. Sie muß weiterhin sogar vermehrt darauf achten, daß öffentliche Gelder in den Ausbau öffentlich-staatlicher Netze wie dem ACOnet investiert werden, die der Öffentlichkeit zumindest für gemeinnützige Zwecke zur Verfügung stehen. ExpertInnen legen im Green Paper 1997 den Regierungen nahe, sich mit der Frage des Zugangs auseinanderzusetzen: Die Teilnahme an der Informationsgesellschaft ergibt sich nicht automatisch, es braucht rechtliche Rahmenbedingungen und Investitionen seitens der öffentlichen Hand:
"Aufbauend auf Konzepten für den Universaldienst in der Telekommunikation und öffentlichen Aufträgen im Rundfunkbereich sollten Behörden dafür sorgen, daß jedermann an der Informationsgesellschaft teilnehmen kann. Die Konvergenz wird in diesem Zusammenhang wahrscheinlich neue Möglichkeiten der Teilnahme eröffnen."
[Green Paper 1997]

Teile der Zivilgesellschaft bedienen sich bereits des neuen Mediums und geben durch die Art und Weise der Nutzung den Regierungen ein neues Konzept für Kooperationen vor. Aus diesen bereits erfolgreichen Modellen des Miteinanders könnten Lehren gezogen werden für eine neue politische Kultur. Unabhängigkeit und Autonomie - zwei wichtige Themen, die besonders von der Freien Szene und ihren AkteurInnen eingefordert werden und sie haben recht. Denselben Maßstab sollten auch Regierungen anlegen, wenn es um die Ausgestaltung und Finanzierung staatlich betriebener Netze geht, um einer verkommerzialisierenden Entwicklung entgegenzusteuern. "Letztlich ist es auch eine Eigentumsfrage. Wenn die Leitungen privaten AnbieterInnen gehören, kann im Zweifelsfalle nie Meinungsfreiheit sichergestellt werden. Die daraus abgeleitete Forderung ist die Verstaatlichung der Infrastrukturen. Damit ist auch eine viel bessere Steuerung von Public Access Möglichkeiten gegeben." [Andrea Mayer-Edoloeyi, Radio FRO] Kritisch kommentiert wird der Abbau der staatlichen Aufsicht auch von Hans-Peter Martin und Harald Schumann:
"Deregulierung statt staatlicher Aufsicht, Liberalisierung von Handel und Kapitalverkehr sowie Privatisierung der staatlichen Unternehmen wurden die strategischen Waffen im Arsnal marktgläubiger Regierungen und der von ihnen gelenkten internationalen Wirtschaftsorganisationen, der Weltbank, des Internationalen Währungsfonds und der Welthandelsorganisation."
[Hans-Peter Martin, Harald Schumann, Die Globalisierungsfalle 1996, S.19]

In anderen Umgebungen, wie den Freien Radios, wurden andere Maßstäbe gesetzt und beibehalten, die vom demokratischen Aspekt sehr interessant erscheinen.
"Freie Radios sind im Besitz, in der Organisationsform, in der Herausgabe und in der Programmgestaltung unabhängig von staatlichen, kommerziellen und religiösen Institutionen und politischen Parteien."
[Radio FRO, http://www.fro.at]

Neue politische Entwicklungen, die das Gemeinwesen und die Öffentlichkeit betreffen sind mit der Medialisierung unserer Kultur verbunden. Dazu gehören Themen wie: Funktionsverlust des Nationalstaates, das Phänomen der Globalisierung und Bedeutung lokaler und regionaler Kultur im Zeitalter der Vernetzung. Fragen werden gestellt, die um eine Neudefinition des Gesellschaftlichen und der Öffentlichkeit kreisen. Was bedeutet "virtuelle Öffentlichkeit"? Wie wirken sich die Inhalte und Strukturen der Netze aus? Inwieweit war Sichtbarkeit an den Begriff der Öffentlichkeit gebunden? Wie hat sich das Politische gewandelt und wie werden sich die demokratischen Formen durch die "virtuelle Gesellschaft" verändern? Wie sehen die Versprechungen aus, wie real sind solche Utopien?
"Wenn es stimmt, daß der Nationalstaat im Zuge der internationalen Verflechtung an Bedeutung verliert, dann muß der neue Bezugsrahmen eine Bürgergesellschaft sein, die ihr Selbstbewußtsein aus der Fähigkeit der Sinnstiftung der Freiheit zieht und nicht nur aus der Zugehörigkeit zu einem Staatswesen."
[Antonia Grunenberg, Verlust des Gemeinsinns?, Werkstattblätter 1b/1998]

Gegensteuerungen sind notwendig, soll die Entwicklung des Netzes nicht den privaten, marktwirtschaftlich orientierten AnbieterInnen überlassen werden. Sehr weitsichtig beschrieb Günther Anders die Zukunft des digitalen Zeitalters. Die Freiheit bestehe nicht mehr darin, die Apparate abzustellen oder zu ignorieren - denn aus den Maschinen sind Apparate, aus den Apparaten Automaten geworden. Diese Dynamik hat bewirkt, daß über Streikende nicht weniger verfügt ist, als über Konsumierende. Ob wir nämlich mitspielen oder nicht - wir spielen mit, weil uns mitgespielt wird. [Günther Anders, Die Antiquiertheit des Menschen, Bd. 1] Aber wie wir mitspielen, daß sollte breit und öffentlich verhandelbar sein.
2.2 Alles nur eine Frage der Infrastrukturförderung?

Bisher wurde mehr über die Technologie als über deren Auswirkungen gesprochen. Es ist an der Zeit, daß die Menschen in den Mittelpunkt der Diskussion gestellt werden. Gibt es in Österreich eine Netzpolitik, die eine politische Verantwortung und soziale Fragen und Folgen mitdenkt? Das neue Medium könnte für die Demokratisierung der Gesellschaft genutzt werden. Es geht nicht nur darum, daß in Österreich die Netze ausgebaut, an internationale Netzwerke der Übertragung angeschlossen und diese mitfinanziert werden. Der Wandel ist tiefgreifender:

ES GEHT UM GROßE UND ENTSCHEIDENDE THEMEN WIE VIRTUELLE ÖFFENTLICHKEIT, PARTIZIPATIONSGEDANKEN UND DIE WAHRNEHMUNG DER NOTWENDIGKEIT EINER POLITISCHEN GESTALTUNG DES VIRTUELLEN RAUMS. ES GINGE HIER NICHT UM EIN REAGIEREN, SONDERN UM EIN WEISES AGIEREN SEITENS DER ENTSCHEIDUNGSTRÄGERINNEN. VORAUSSICHT IST DAS STICHWORT, DAMIT DIE ZIVILGESELLSCHAFT UND DIE DEMOKRATISCHEN WEGE NICHT DAS NACHSEHEN HABEN.

Entscheidend wird sein, ob es gelingt, ein Nachdenken über den Bedeutungs- und Funktionswandel der Demokratie einzuleiten und die notwendigen Konsequenzen einzufordern. Bei der Schaffung des richtigen Umfeldes kommt den Regierungen und politischen VerantwortungsträgerInnen eine wichtige Rolle zu.
"Die Regierungen, die regionalen und örtlichen Behörden und die europäischen Institutionen müssen bei der vollständigen Annahme der neuen Technologien und Dienste, die durch den Konvergenzprozeß möglich gemacht werden, eine führende Rolle spielen."
[Green Paper 1997]

Wesentlich für die Qualität einer Mediendemokratie wird sein, ob es gelingt, ausreichend Infrastruktur zur Verfügung zu stellen und Orte zu schaffen, die eine Wissensvermittlung und einen kritischen Umgang fördern. Es genügt nicht, die Klassenzimmer auszustatten, denn die Bildung von morgen kann nicht die Bildung von heute ersetzen. Gerade im Bereich der Erwachsenenbildung muß viel mehr getan werden. Es sollte Know-How weitergegeben werden und gelernt, wie man sich im digitalen Raum bewegt. Vor allem aber ist eine Hilfestellung zur Selbsthilfe anzubieten, um eine tatsächliche Beteiligung an der Mitgestaltung zu evozieren. Den sozial und an Kapital Schwächeren sowie den innovativen Gruppen unserer Gesellschaft müssen Möglichkeiten geboten werden, sich mit dem Medium auseinanderzusetzen und eigene Schnittstellen und Knotenpunkte im Netz zu betreiben.

ES MÜSSEN DAHER RÄUME GESTALTET UND RESSOURCEN ZUR VERFÜGUNG GESTELLT WERDEN [Z.B. IN JUGENDZENTREN, KULTURINITIATIVEN, DIE OHNEHIN ÜBER KNAPPE BUDGETS VERFÜGEN, INSOFERN AUCH KAPITALSCHWÄCHER SIND ALS STAATLICHE INSTITUTIONEN WIE SCHULEN UND VERWALTUNGSEINRICHTUNGEN], DIE EINEN QUALITATIVEN UMGANG MIT DEN NEUEN TECHNOLOGIEN VERMITTELN KÖNNEN.

Wenn die Kulturinitiativen durch Mangel an finanzieller Unterstützung unterversorgt bleiben, besteht die Gefahr der Kommerzialisierung der Kultur, weil die Gegensteuerungen - das kritisch-kreative Potential sowie das innovativ-experimentelle - zu wenig beachtet werden. Daher ist eine Preis- und Förderpolitik entscheidend, die den GEDANKEN DES PUBLIC ACCESS [Öffentlicher Zugang und Betreuung für Alle] verwirklicht und ermöglicht. Dazu gehört die Einrichtung von betreuten Zugängen mit ausgebildeten Personen.

DIE BEIDEN FAKTOREN [PREISPOLITIK UND ZUGÄNGE] SIND ZUNÄCHST EIN ERSTER SCHRITT UND EIN MAßSTAB, AN DEM DIE DEMOKRATISIERUNG GEMESSEN WERDEN KANN: MITBESTIMMUNG DER INHALTE UND ZUGANGSFORMEN, RECHT AUF INFORMATION MUß MÖGLICH, LEISTBAR UND OFFEN SEIN. DER ZUGANG ZU INFORMATIONEN MUß SELBSTVERSTÄNDLICH UND FREI SEIN.

Netzpolitik, Meinungsfreiheit und Medienkompetenz sind eng miteinander verbunden. Angst ist gepaart mit Unwissen und Handlungsunfähigkeit bzw. Ohnmacht, die Folge sind Entscheidungen ohne Vision und Zukunftsoption: Es bleibt zu hoffen, daß die EntscheidungsträgerInnen in Politik und Kultur die Notwendigkeit erkennen, in diesen Bereichen förderpolitisch umgehend stärker und nicht halbherzig tätig zu werden.
Kommunikationskultur, Medienkompetenz, Arbeit und Bildung: Neue Kulturtechniken und Know-How-Vermitt
1. BILDUNG, ARBEIT UND NEUE MEDIEN

"In einem gesellschaftlichen Rahmen, in dem der Austausch und die Verarbeitung von Informationen immer größere Bedeutung für Arbeit, Wirtschaft und Zusammenleben erhalten, rückt Bildung ins Zentrum. [...] Es ist die Aufgabe der Schulen, diese Fertigkeiten allen Mitgliedern der Gesellschaft zu vermitteln, um eine Vergrößerung der Wissenskluft zwischen Informationsreichen und Informationsarmen zu verhindern."
[Stocker/Pointer, Schule und Online, Österreich Online '98]

Die Politik hat die Aufgabe, die Teilhabe an der Kultur und Mitbestimmung durch Rahmenbedingungen sowie durch Vermittlung von Werten jenseits der Konkurrenz am Arbeitsmarkt sicherzustellen. Partizipation und aktive Beteiligung an politischen Prozessen sind nicht selbstverständlich und stehen oft nicht im Vordergrund der Diskussion um die neuen Technologien. Im Gegenteil: Wenn das Thema Bildung verhandelt wird, findet es sich durchgängig im Kontext mit ANGSTPAROLEN:
"Wer nicht mitsurft, könnte bald zu jenen gehören, die am Arbeitsmarkt nur mehr reduzierte Chancen haben."
[Oberösterreichische Nachrichten, Medienkompetenz unters Volk bringen, 3.1.1998]. "Falls Europa diesen Veränderungen gerecht werden kann, werden wir einen starken Motor zur Schaffung von Beschäftigung und Wachstum, zur steigenden Verbraucherauswahl und zur Förderung kultureller Vielfalt haben. Dazu muß ein Umfeld geschaffen werden, das den Veränderungsprozeß unterstützt anstatt ihn zu bremsen. Falls das nicht oder nicht zeitgerecht erfolgt, läuft Europa Gefahr, daß unsere Unternehmen und Bürger der Informationsrevolution nacheilen müssen - einer Revolution, die von Unternehmen, Benutzern und Regierungen anderswo auf der Welt vorangetrieben wird."
[Green Paper 1997] "... Die Moderne ist in sich selbst riskant. Und gerade der riskiert am meisten, der nichts riskieren will. Er riskiert nämlich, nicht mitzukommen, zu spät zu kommen und dann vom Leben bestraft zu werden... Der Mahner ist ein unverzichtbares Requisit der Medienöffentlichkeit. Zur Erkenntnis trägt er nicht bei, ja, er steht ihr im Weg."
[Norbert Bolz, Das kontrollierte Chaos 1994, S.20f.] "Auf den Punkt gebracht heißt das, wer nicht mit den neuen Medien umgehen kann oder will, nimmt drei Nachteile in Kauf. Einen bei der Jobsuche, einen im Berufsleben, und einen bei der allgemeinen Informationsbeschaffung. Tendenziell gefährdet sind vor allem Frauen."
["Was haben Frauen im Net verloren?" in: Femail, Hrsg. Bundesfrauenkomitee der SPÖ-Frauen, Nr.2, S.13]

Dabei sein ist alles, wer nicht angeschlossen ist, wird ausgegrenzt und verliert in Zukunft auch den sozialen Anschluß. Diese Argumentationsketten werden auch auf internationaler Ebene gepflegt. Panik und latente Krisenstimmung sind auch in den EU-Papieren zu finden. Der Eindruck, daß alle von allen abschreiben, und es wenige gibt, die sich ein eigenes Urteil jenseits des Mainstreams bilden, wird durch den Wiederholungscharakter der Angstparolen besonders deutlich. Günther Anders formulierte diesen Gehorsam trefflich:
"Jede noch so entsetzliche Maschine ist heute erfolgreich zu rechtfertigen, wenn es gelingt, deren Kritiker als Maschinenstürmer zu verdächtigen. Und da nichts leichter als das ist, gelingt das immer."
[Günther Anders, Die Antiquiertheit des Menschen, Band 1, S.41]

Die kritischen Stimmen sind nicht sehr zahlreich, würden sie sich doch dem Vorwurf aussetzen, die Wirtschaftsentwicklung und die versprochenen Arbeitsplätze zu gefährden. Heraufbeschworen wird auf der einen Seite die Gefahr durch die Dominanz der Medien- und Kommunikationstechnologie. Auf der anderen Seite scheint ohne sie der Wohlstand nicht mehr möglich zu sein. No way back? Da wird oft nicht lange nach Ursachen und Wirkungen gefragt, statt dessen werden die BürgerInnen in die Pflicht genommen, durch lebenslanges Lernen "online" - am technologischen Stand der Zeit - zu bleiben. Die Geräte und Technologien stehen im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Es ist der Mensch, der sich anstregen muß, mit den Geräten Schritt zu halten. Die neue Arbeitsmoral beinhaltet die Pädagogik des "Lebenslangen Lernens".

Anstelle positiver Motivation wird mit Angstparolen Streß erzeugt. In einem solchen Klima lernt niemand gerne, das "Lebenslange Lernen" wird in der Folge mehr als neue Sklaverei an der Maschine, denn als Chance und Erweiterung der Lebens- und Lernformen erlebt. Es wird zur Pflicht. Dies gilt besonders für die mittlere Generation, in deren Ausbildungzeit Computer noch nicht zur alltäglichen Berufspraxis zählten. Da der Umgang mit der modernen Technologie immer mehr zu einer Frage der Existenzsicherung wird, das nötige Know-How aber nicht im selben Ausmaße vorhanden ist und die moderne Technologie in den letzten fünf Jahren medial primär als Arbeitsplatzvernichterin dargestellt wird, ist die Angst vieler Menschen um ihren Arbeitsplatz verständlich. Parallel dazu, und dies ist kein Widerspruch, lösen die ungeheuer schnellen technologischen Entwicklungen Ängste in Form von digitalen Leibeigenschaftsvorstellungen aus. Ansätze zur modernen Sklaverei und einer neuen Zwangsarbeit sind latent vorhanden. Fritz Lorenz, Generalsekretär der Industriellenvereinigung schlug vor, daß Arbeitslose österreichische Kultur- und Forschungsdaten für das Internet digitalisieren sollen. Die AnbieterInnen von online-Diensten könnten damit das österreichische Kulturimage in die Welt tragen.
"Die EU hat ohnehin angeregt, daß wir aktive Arbeitsmarktförderung verstärken sollen. Die Arbeitslosen hätten eine sinnvolle Tätigkeit und würden auf dem Markt leichter unterkommen."
[Standard, 18. Februar 1998, S.18; http://derstandard/arc/19980218/108.htm]

Diese Aussage erinnert an das christliche Dogma: "Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen" und hatte, wie Foucault in "Wahnsinn und Gesellschaft" zeigt, die Einrichtung von Internierungslagern zur Folge. All jene, die der Industrialisierung des 17. Jahrhunderts und dem Tempo des Fortschritts im Wege waren, wurden in Arbeitshäuser für "Müßiggänger" gesperrt, um die ökonomische Rezession zu bremsen. In diesen "houses of correction", wie die Internierungslager in England hießen, wurden BettlerInnen und MüßiggängerInnen einer Zwangsarbeit unterworfen, denn Müßiggang und Bettelei wurden als Ursprung aller Unordnung gesehen.

Wenn sich also "on line" sein, das "an der elektronischen Leine" [Irmgard Klammer, "Join or die - an der elektronischen Leine", S.103] der modernen Zeiten nicht unmittelbar mit den Arbeitshäusern des 17. Jahrhunderts vergleichen läßt, so wird der Ausdruck dennoch als eine Art von Versklavungstechnik wahrgenommen. Denn keine Kulturtechnik hat jemals die versprochene Befreiung von der Arbeit wahrgemacht. Im Gegenteil: Die erste Reaktion darauf ist Streß, oder wie Günther Anders es formulierte, die "prometheische Scham". Der Mensch fühlt Ehrfurcht vor den Maschinen, er schämt sich, geworden statt gemacht zu sein [Dingscham, Günther Anders, Band 1, S.29f.].

Je schneller die technologischen Neuerungen, Um- und Aufrüstungen, desto größer wird auch die menschliche "Dingscham" und die Angst, eines Tages überflüssig zu sein, da laut Zukunftsprognosen die Maschinen die Arbeit übernehmen. Umso mehr ist eine Entmystifizierung der Technologie und eine Neubewertung von Arbeit gefragt. Eine "Cyberpädagogik" hätte auch den Inhalt zu transportieren, daß die Mensch-Maschinen-Kommunikation in Zukunft in keinem hierarchischen Gefälle erlebt wird, denn der Mensch ist keine Maschine, auch wenn er - seit kurzem - in der cybernetischen Terminologie die Bezeichnung "wetware" trägt. Kulturelles Paradox: Obwohl Software und Hardware der Geräte bereits veraltet sind, bevor sie noch auf den Markt kommen, wird im Kult um die Maschine an ihrer Perfektion festgehalten sowie am Traum der Unsterblichkeit. Eine neue Cyberpädagogik hätte vor allem auch die Aufgabe, die Entmystifizierung der Geräte und der Technikgläubigkeit zu leisten, ohne den spielerischen Umgang einzuschränken.

Unwissenheit und Angstrhetorik sind eine schlechte Voraussetzung für die Realisierung demokratiepolitischer Ansätze. Sie blockieren visionäres Denken und Handeln gleichermaßen. Die Freude im Umgang und die tatsächlichen Vorteile der Technologien werden zuwenig beschrieben, die visionären Bereiche ausgeklammert. In einem solchen Klima wird ein Sinnvakuum erzeugt, der Computer wird als Ersatzinstanz erlebt, als eigentlicher Konkurrent am Arbeitsmarkt und als Ersatzpartner für die zwischenmenschlichen Angelegenheiten. Um diesen Trends entgegenzusteuern - Stichwort Vereinsamung - wird es unerläßlich sein, das Selbstwertgefühl der Menschen jenseits einer Erwerbsgesellschaft aufzubauen. Denn wie es scheint, stimmen die traditionellen Bewertungen von Arbeit immer weniger mit den neuen Lebens- und Arbeitsformen von heute und morgen überein.

Die zunehmende RATIONALISIERUNG VON ARBEIT ist unübersehbar, gleichzeitig werden in den neuen Sektoren weniger Arbeitsplätze geschaffen. Ein Ausweg ist die Neubewertung von jeder Arbeit, nicht nur der Erwerbsarbeit, die in der Gesellschaft geleistet wird. Unbezahlte, freiwillige, wohltätige und eigenproduktive Arbeit trägt ebenso zum Wohlstand bei. Dies trifft insbesondere auf Frauen zu.

Zweitens: Durch die Automation von Abläufen kommt es zu einer Steigerung des Anteils an unbezahlter Arbeit, immer mehr ProduzentInnen von Dienstleistungen versuchen, den KonsumentInnen einen Teil der Arbeit zu übertragen, z.B. die Einführung von Selbstbedienungsrestaurants, Bankomaten, Telebanking, Müllentsorgung [Recycling], Reisebuchungen via Internet etc. Die KonsumentInnen verwandeln sich, nach Martin Toffler, in "Prosumenten".

DER WERT DER ARBEIT WÄRE UNABHÄNGIG VON DER ERWERBSARBEIT NEU ZU BESTIMMEN UND EINE FINANZIELLE GRUNDSICHERUNG NOTWENDIG.

1964 beschrieb McLuhan die Auswirkungen der Automation. "Lebenslanges Lernen" wird zur bezahlten Hauptbeschäftigung und Quelle neuen Reichtums in unserer Gesellschaft werden, daher, so McLuhan, sei die Aufregung über Arbeitslosigkeit sinnlos. [McLuhan Marshall, Die magischen Kanäle, S.398] Bis auf die Bezahlung für lebenslanges Lernen ist alles eingetroffen. Die Zukunftsprognosen über das Informationszeitalter sind derzeit sehr unpräzise, es gibt wenig Wissen darüber, wie sich die Gesellschaft tatsächlich verändern wird. Die neuen Produktionsmittel der Telekommunikation und Einkommensformen berühren vor allem auch die Frage der Identität und die gesellschaftlichen Übereinkünfte. Prognostiziert wird die Einfünftel-Gesellschaft: "20 Prozent der arbeitsfähigen Bevölkerung würden im kommenden Jahrhundert ausreichen, um die Weltwirtschaft in Schwung zu halten." [Martin Hans Peter, Harald Schuhmann, Die Globalisierungsfalle, S.12]. Angesichts dieser "Globalisierungsfalle" sind Gegensteuerungen an der Zeit. Unbezahlte Arbeit wird zuwenig thematisiert. Der Wert der Arbeit/en und die GRUNDSICHERUNG DER EINZELNEN muß neu definiert werden [z.B. Basiseinkommen], ansonsten stehen wir vor dem Problem, daß große Teile der Gesellschaft zukünftig von der Erwerbsarbeit und somit von der Grundabsicherung ausgeschlossen werden könnten. "Computopia" - die Gesellschaft ist nicht mehr auf Wohlstand, sondern auf Freizeit ausgerichtet, schreibt J. Rifkin [Das Ende der Arbeit, S.165]. Wer wird sich diese freie Zeit leisten können, wenn immer weniger menschliche Arbeitskräfte notwendig sein werden, u m die Weltwirtschaft in Schwung zu halten?

Stichwort: Informationsgesellschaft und NEUER GESELLSCHAFTSVERTRAG. Wenn die Gesellschaft ohne massenhafte Erwerbsarbeit auskommen kann, klingt das zunächst interessant. Doch wovon sollen die Menschen zukünftig leben, wenn die Maschinen die Arbeit erledigen? Die "Globalisierung" der Weltwirtschaft wird die Frage nach bezahlter Sozialarbeit, Alten- und Kinderbetreuung, Selbsthilfeorgansiationen, gemeinnütziger Arbeit etc. nicht von selbst beantworten. Deshalb wäre der Wert dieser unbezahlten Bereiche neu zu verhandeln.
2. STICHWORT MEDIENKOMPETENZ
"Nicht fürs Leben lernen, sondern leben lernen."
[Marshall McLuhan, Die magischen Kanäle]

Medienkompetenz erwerben bedeutet, an der Entmystifizierung der Technologie zu arbeiten, an einer neuen "Kultur des Probierens" [Sherry Turkle], das Gefühl für Öffnung und Offenheit durch spielerischen Umgang und kritischer Beurteilung entwickeln zu können.

Medienkompetenz bedeutet, eine neue Kulturtechnik zu lernen, eine souveräne Handhabe zwischen Informationsselektion und technischem Grundverständnis zu erwerben. Angesagt wäre die Einlösung dessen, was mit dem Stichwort Medienkompetenz verbunden wird: denn ob das lineare hierarchisch geprägte Denken tatsächlich von TEAMARBEIT UND DER AKZEPTANZ INDIVIDUELLER FÄHIGKEITEN abgelöst wird, ist auch eine Frage des tatsächlichen Mitbestimmungsrechts und der Mitgestaltung. Kommunikative Kompetenz setzt sich in der digitalen Welt aus mindestens zwei Komponenten zusammen: aus einer technischen und einer sozialen.
"Der souveräne Umgang mit der 'Maus' ist genauso wichtig, wie eine Orientierungs- und Handlungsfähigkeit im Cyberspace. In diesem Zusammenhang muß darauf hingewiesen werden, daß der Zugang zu den neuen Medien bestimmten Bevölkerungsgruppen erschwert ist und besonderer Förderung bedarf."
[Arbeitskreis Hypermedia im Rahmen der Diagonale, Salzburg 1995; http://www.t0.or.at.dd/hypermedia.htm]

Dem "Informational-Over-Kill", der Informationsüberfülle, kann mit einer qualitativen Lerntechnik der Selektion entgegengetreten werden. Stichwort: Emanzipation von der Informationsfülle zur Informationsstrukturierung. Technologie als Selbstzweck ist zuwenig, die Aussage: "the media is the message" von McLuhan ist zwar provokativ, aber umso mehr ist Content [Inhalt] gefragt. Informationskultur und Bildungswesen beinhalten dennoch zwei verschiedene Ansätze. Entscheidend ist die Qualität der Informationen und Vermittlung [Selektion]. Bildung ist nicht gleichzusetzen mit Information, denn Information ist nur eine Basis für Bildung. SELBSTDENKEN wird nicht allein durch Informationsselektion gefördert, sondern durch eine breit gestreute Wissensbasis [klassische, historische, politische, geisteswissenschaftliche Bildungsinhalte jenseits der Zeitpolitik - historisches Gedächtnis und Kenntnis anderer Kulturen sind eine Grundlage für Toleranz]. Es sollte Zeit bleiben für die vita contemplativa - für den Rückzug aus dem Alltagsablauf und die Rückbesinnung. Urteilsvermögen als wichtiges Grundvermögen der Politik entsteht nicht ohne Muse und in der Abwendung von der Meinung anderer. Hannah Arendt hat darauf hingewiesen,
"daß menschliche Wesen fähig sein sollten, Recht und Unrecht zu unterscheiden und zwar selbst dann, wenn alles, was sie leiten könnte, nur ihr eigenes Urteil ist, welches - das kommt noch hinzu - vollständig quer liegt zu dem, was sie als die einhellige Meinung aller, die um sie herum sind, betrachten müssen."
[Hannah Arendt, Das Urteilen, S.126]

Durch die neue Technolgie befindet sich das Prinzip Lebenspraxis und leibhafte Erfahrung im Spannungsfeld mit Simulationstechnologien. Es wird von der Gefahr gesprochen, daß zum überwiegenden Teil nur mehr durch simulierte Objekte Wissen erworben wird. URTEILSFÄHIGKEIT ALS POLITISCHE GRUNDKATEGORIE [Hannah Arendt] wird nicht einfach durch Informationsselektion per Computer und Netzwerke erlernt. Denken, Erfahrung und sinnliche Aspekte könnten durch eine einseitige, nur durch technikvermittelte Kommunikation und Information zu kurz kommen. Zu beachten ist das Verhältnis von LEIBGEBUNDENER ERFAHRUNG UND KOLLEKTIV NUTZBAREM WISSEN. Das Denken und der Gedanke entsteht aus den Ereignissen der Lebenserfahrung und muß an sie gebunden bleiben, sie sind die einzigen Wegweiser, an denen sie sich orientiert, so Hannah Arendt.

Mitentscheidung und Selbstbestimmung werden über die Kommunikations- und Informationsmedien thematisiert. Partizipation an der Gesellschaft wird über die neue Technologie ausgetragen, sie ist also auch als ein zukünftiger Ort der Verhandlung von wichtigen Themen der Gesellschaft zu sehen. Die Selbststeuerung der Maschinen darf nicht die der Menschen, des Ichs [Individuum und Selbstverwirklichung] übernehmen, die HUMANKOMMUNIKATION nicht von der MASCHINENKOMMUNIKATION dominiert werden. Maschinen und Netzwerke sollen Entscheidungshilfen sein; dies ist letztlich eine Frage der Herrschaftsform: Wer oder was wird über unsere Zukunft entscheiden? Die Zukunft möchte ich daher als "Kannbestimmung fassen", denn jede Person soll die Möglichkeit haben können, darüber zu entscheiden, wie ihre Gegenwart aussieht.
"Unsere Priorität sollte also sein, die Menschen in den Mittelpunkt der Computer-Kultur zu stellen; wir müssen beginnen, die Informationsrevolution zu denken, zu planen und zu managen. Denn jedes soziale Thema, das wir aus der realen Welt kennen, wird von nun an seine Entsprechung in der virtuellen Welt haben."
[Dale Spender, 1. Auffahrt Cyberspace, S.8]

Schule ist Pflicht, Lesen und Schreiben waren lange Zeit hindurch die Kulturtechniken der abendländischen Zivilisation. Im Moment aber sind jene, die das Know-How in den Institutionen lehren sollten, heillos überfordert.

In einer Studie zum Thema Österreichische Schulen und das Internet von Werner Stangl geht aus einer elektronischen Umfrage hervor, daß immer wieder LehrerInnen Wünsche nach Fort- und Weiterbildung äußerten, wobei neben dem Erwerb technischen Wissens auch der Erwerb der sozialen Kompetenzen als notwendig anzusehen ist.
"Wenn man ein Fazit aus den Antworten ableiten müßte, dann jenes, daß derzeit wohl nicht so sehr hard- und software sondern socialware gefragt sind. Besonders jene Schulen, die aufgrund ihrer fachlichen Orientierung nicht mit spezifisch technologischem internet-know-how ausgestattet sind, sollten in geeigneter Form durch Anleitung und Beratung unterstützt werden. Wobei hier der Grundsatz der Präsenz und der Kontinuität wichtig erscheint, d.h., daß jederzeit Hilfe bei praktischen Unterrichtsproblemen erreichbar sein müßte, wenn möglich vor Ort."
[Werner Stangl, p@psych Linz 1998; http://paedpsych.jk.uni-linz.ac.at/PAEDPSYCH/NETSCHULE/NetSchule5Fragen.html]

Das Problem mit der Medienkompetenz haben zur Zeit die Erwachsenen. In der Erwachsenenbildung geschieht zuwenig: Derzeit besitzen wenige WissensvermittlerInnen Kenntnisse über das Medium, die meisten LehrerInnen sind sowohl technisch als auch inhaltlich überfordert. Das tatsächliche Vakuum besteht also in Zukunft nicht bei der jungen Generation, sondern bei all jenen, die jetzt erwachsen sind. Wer wird sie schulen? Das Spiel ist seit jeher ein wichtiger Aspekt unserer individuellen Bemühung um die Schaffung einer Identität: Die Erwachsenen sollten auch die Chance haben, sich dem Medium spielerisch anzunähern.
3. WIE KÖNNEN ENTWICKLUNGSCHANCEN NACHHALTIG SICHERGESTELLT WERDEN?
"Die Einrichtung von regionalen Medienwerkstätten [z.B. als Funktionserweiterung von Kulturstätten] muß von den Gebietskörperschaften unterstützt werden, damit eine breite und unkomplizierte Aneignung von Medienkompetenz möglich ist."
[KUPF, zuMUTungen, A 4D, Absatz 4]

Für die Vermittlung von Medienkompetenz sind Orte außerhalb der Schulen notwendig. Orte, an denen Kunst produziert wird, eignen sich dafür sehr gut. Denn sowohl für die Politik als auch für die Kunst und die Kulturarbeit ist die Wahrnehmung öffentlicher Themen ein verbindenes Element. Demokratiepolitisch sinnvoll ist daher die Schaffung von Umgebungen, an denen der Informationszugang auch qualitativ gut betreut werden kann. Gerade Orte der Technikvermittlung brauchen einen sozialen Kontext. Dieses Prinzip wurde auch für die Telearbeit erkannt. Neben technischer Infrastruktur werden in Telearbeitszentren und Ausbildungseinrichtungen auch soziale "Umgebungen" angeboten. Cyber-Cafés, soziale Betreuung, Kontakte und technische Hilfestellungen gehören zum Konzept [z.B.: im Now@ - dem Mobilen InternetCafe für Frauen in Graz; http://www.nowa.at].

Durch die Einrichtung von Multimediawerkstätten und öffentlich betreuten Stellen können Orte geschaffen werden, die das Erwerben technologischer und kommunikativer Kompetenz ermöglichen. Die Teilhabe an der Gestaltung digitaler und sozialer Räume muß gewährleistet werden und zwar auf der Höhe der Zeit. Bei der Basisfinanzierung [Infrastruktur, bezahlte Arbeit] sollte nicht gespart werden. Neben den Einrichtungen der öffentlichen Hand, wie etwa Ämter und Bibliotheken, die dazu übergehen, Terminals in ihren Räumlichkeiten aufzustellen, braucht es Orte der Begegnung, wo experimentiert werden kann.

Bildungspolitik und Kunstförderung hätten hier ein gemeinsames Interesse zu vertreten. Das Angebot bestehender Medienwerkstätten, die bislang als Produktionsstätten für Videotechnologien galten, könnte um andere Inhalte und Gestaltungsformen erweitert werden und nun auch Schulungen beinhalten. Stichwort: Multimediawerkstätten mit erweiterten Aufgaben als TRÄGERINNEN VON INHALTEN UND SOZIALER KOMPETENZ.

Im Mittelpunkt der Bildung steht das Miteinander. Die Unterstützung anderer wird an diesen Orten in die Tat umgesetzt, Netzkultur soll auch erfahrbar sein. Neue Umgangsformen wie die NETIQUETTE sind im entstehen. So etwa lautet das Siebte Gebot des Cyberspace: "Du sollst dem Netz geben, wenn du vom Netz nehmen willst". [Thomas Mandel, Gerard Van der Leun, Kursbuch Internet, S.252] Das Netz kann auch als riesiges, kooperatives Unternehmen der Toleranz und Rücksicht angesehen werden. Internationales Handeln eröffnet neue Perspektiven und Umgangsformen, ein Gefühl der Öffnung ist im Entstehen begriffen. Hilfestellungen durch andere ist im Netz selbstverständlich. Es gibt alternative Lebensformen und Auswegmöglichkeiten, einen Aufbruch jenseits des Nationalitätengefüges, der Austausch wird spürbar leichter, kulturübergreifendes Wissen als angenehm empfunden.

Auch in den Schulen werden zusehends kooperative Arbeits- und Lernformen diskutiert. Für diese Entwicklungen braucht es ebenfalls Orte und Vermittlungsformen außerhalb der Schulen, damit diese Erfahrungen erlebbar werden. Um die "frommen" Wünsche der PolitikerInnen auch wahr werden zu lassen, sind sie schließlich beim Wort zu nehmen:
"Landesschulratspräsident Johannes Riedl ist überzeugt, daß die elektronische Lernstraße das Autoritätsgefälle in den Schulen verringern wird: Die Schüler können sich durch den Zugang zu den Datenbanken emanzipieren. Die Selbständigkeit wird verstärkt."
[Oberösterreichische Nachrichten, 24.2.1998, S.19]

Eine langfristige und umsichtige Planung - 10 Jahresbudgets - wären angebracht. Unterschätzt wird von den EntscheidungsträgerInnen in Kultur und Bildung der finanzielle Aufwand, der notwendig, ist um Multimediaeinrichtungen mit Internetzugang kontinuierlich zu betreiben.

Zu einer ähnlichen Einschätzung kommt Werner Stangl in seiner Studie über die österreichische Schulvernetzung:
"Von uninformierten Bildungspolitikern aber auch von der auch im Wortsinn außenstehenden Öffentlichkeit wird der Aufwand grob unterschätzt, der zur laufenden Betreuung von einmal errichteten Anlagen notwendig ist ... Auch die finanziellen Belastungen - nicht so sehr die bei der Einführung, vielmehr die beim laufenden Betrieb - werden immer wieder als Hemmnisse erlebt, wobei neuere Entwicklungen bezüglich der Telekommunikation wohl kaum eine Entlastung bringen dürften."
[Werner Stangl, p@psych Linz 1998; http://paedpsych.jk.uni-linz.ac.at/PAEDPSYCH/NETSCHULE/NETSCHULEDISKUSSION/NetSchuleZukunft.html]

Unterschätzt werden in der Regel die Folgekosten - und gerade dafür bräuchte es langfristige Budgets, damit die getätigten Investitionen Sinn machen und auf den Erfahrungen weiter aufgebaut werden kann.
"Daß der richtige Umgang mit dem Internet für die Lehrer immer wichtiger wird, zeigen Daten des Unterrichtsministeriums: Derzeit sind bereits 1300 Schulen am Netz, täglich kommen zwei bis drei dazu. Jede Bundesschule verfügt im Schnitt über 30 Computer. Die Lehrer werden damit in die Lage versetzt, auf den Stand ihrer Schüler zu kommen. Denn für die ist der Computer normal, das Internet alles andere denn ein spanisches Dorf."
[Oberösterreichische Nachrichten, 26.03.1998, S.22 ]

Solche Erfolgsmeldungen lassen allerdings die Probleme leicht vergessen, die mit der nachhaltigen Betreuung und sinnvollen Anwendung zu tun haben. Derzeit steht noch das Erlernen des Umgangs mit dem Internet im Mittelpunkt. Die Vielfältigkeit, die Verknüpfung der Anwendungen sowie die Inhaltsfragen folgen meist später. Für diese Schritte braucht es Zeit und Geld.

Es wurde daher den Schulen nahegelegt, über Sponsoring ihre Internet-Aktivitäten zu finanzieren. Ein Bankunternehmen stellt daher dem Education Highway
"binnen drei Jahren 1,8 Millionen Schilling zur Verfügung und bietet auf eigenen Seiten unter anderem ein virtuelles Bank-Lexikon und Euro-Informationen an."
[Oberösterreichische Nachrichten, 24.02.1998, S.19]

Der Generaldirektor freut sich über "bereits 25.000 Zugriffe" innerhalb der ersten dreieinhalb Monate. Er hat auch allen Grund dazu. Denn die Kinder von heute sind die KundInnen von morgen. Der Trend, durch Investitionen die KundInnen bereits in den Schulen zu erziehen, ist bildungspolitisch äußerst merkwürdig. Bedacht werden sollte in dem Zusammenhang auch, daß - mittels großer Aufträge - genügend Gelder im Bereich der Telekommunikation von der öffentlichen Hand in private Hände fließen, ohne daß die geschaffenen Infrastrukturen im Bereich der öffentlichen Hand bleiben. Ob das langfristig ein wünschenswerter Weg ist, bleibt abzuwarten.
Die freie Szene, kulturelle Kompetenzen und die politische Bedeutung von Kommunikationsnetzwerken
1. PROFILE DER FREIEN SZENE

In der Freien Szene der Initiativen wurden durch langjährige Praxis zahlreiche Kompetenzen aufgebaut und erworben, die eine entscheidende und wichtige BASIS FÜR DAS HERBEIFÜHREN EINER MEDIENDEMOKRATIE BILDEN. Integration, inter-kulturelles Engagement, soziokulturelle Denkweisen, regionale Kulturarbeit und globales Handeln, internationale Vernetzungsarbeit sind für Projekte der Freien Szene keine Schlagworte, sondern Teil ihres Selbstverständnisses, das bereits vor dem "Technologieboom" herausgebildet wurde. Aus diesem Grund sind diese Initiativen und Gruppierungen geeignet, an der demokratischen Gestaltung des "Cyberspace" mitzuarbeiten und eine VorreiterInnenrolle einzunehmen. Genauer gesagt sind sie es, die diese Entwicklungen vorleben und Modelle für die Demokratisierung anbieten.
"Kultur und Politik ... gehören zusammen, weil es hier nicht um Erkenntnis oder Wahrheit geht, sondern um Urteil und Entscheidung, den vernünftigen Meinungsaustausch über die Spähre des öffentlichen Lebens und die gemeinsame Welt, ferner um die Entscheidung darüber, welche Handlungsweise in der Welt zu wählen ist, und auch darüber, wie diese Welt künftig auszusehen hat, welche Arten von Dingen in ihr erscheinen sollen."
[Hannah Arendt, Das Urteilen, S.135]

Die Gundlagen demokratischer Prozesse basieren auf einem partizipativen Handlungsverständnis. Dazu gehören Themen wie:

* INTEGRATIVES POTENTIAL ["AnwärterInnenschaft" durch die Integration von benachteiligten Gruppen]
* KULTURELLES ENGAGEMENT [Impulsfunktion und Kontinuität, künstlerische Praxis, Vermittlungsarbeit, Theoriearbeit, kulturpolitisches Handeln]
* REGIONALE KULTURARBEIT [jenseits der EU-Förderung und -Debatte waren Regionalität und kulturelle Aktivitäten über die Staatsgrenzen hinweg ein Thema]
* VERNETZUNGSPRAXIS UND GLOBALES DENKEN [über die Nationalstaatlichkeit hinaus zu denken und verbindend zu arbeiten]
* FLEXIBLE ORGANISATIONSFORMEN [kreatives Ideenpotential]
* SELBSTORGANISATION [Streben nach Selbständigkeit und Autonomie]
* SOZIOKULTURELLE LERNFELDER

Diese Kompetenzen sind Teil der soziokulturellen Arbeit in der Freien Szene. Öffentlicher und kultureller Raum sind ineinander verschränkt: Der Begriff der Soziokultur entstand im bildungs- und kulturpolitischen Diskurs der 70er Jahre und ist noch immer ein Teil im Selbstverständnis der Arbeit in der Freien Szene. Ökologische Konzepte und Themen der Multikulturalität werden heftig diskutiert, Gesellschaftspolitik und Kulturpolitik miteinander in Beziehung gebracht. "Alternative" Kulturkonzepte und Initiativen stellen ein Regulativ zum etablierten Kulturbetrieb und zu traditionellen Lebensformen dar. Eingemahnt wird in bezug auf die technologische Entwicklung [Gentechnik und Informationstechnologie] die soziale Verantwortung in Wissenschaft und Technik. Die Freie Szene verkörpert das "soziale Gewissen" der Gesellschaft. In einem weiter gefaßten Sinn sind auch die BürgerInneninitiativen als ein Teil der "Freien Szene" anzusehen. Zivilcourage und ziviler Ungehorsam, Hinterfragen von Obrigkeitsstrukturen, Gemeinschaftssinn, Erarbeitung alternativer Konfliktlösungsstrategien, Identität auch außerhalb der Familienstrukturen, Zusammenleben und -arbeiten mit Gleichgesinnten, bilden Basisformen einer neuen Zivilgesellschaft. Diese fördern Engagement jenseits der Eigeninteressen, übernehmen Verantwortung durch Selbstinitiative und Mut.

Was wird unter dem Begriff "Freie Szene" verstanden? Die Freie Szene umfaßt all jene Initiativen und Einzelpersonen, die abseits von Staat und Markt einen dritten Sektor formen. Die Arbeit ist zu einem großen Teil ehrenamtlich, unbezahlt, und in weiten Bereichen unterbezahlt. Diese Projekte, Bewegungen, Gruppierungen verfolgen in der Regel keine kommerziellen Interessen, wiewohl es für das Überleben in einzelnen Sparten sicher notwendig ist, auch nach kommerziellen Gesichtspunkten zu handeln, um die Finanzierung der Aktivitäten zu gewährleisten. Autonom ist auch ein Begriff, der mit der Freien Szene in Verbindung steht. Er wird aber in den letzten Jahren nicht mehr uneingeschränkt verwendet, da die meisten Projekte subventioniert werden, und damit ist zumindest finanzielle Abhängigkeit gegeben. Unabhängigkeit gilt aber dennoch als ein Kennzeichen der Freien Szene: Frei sein bedeutet, die Ausdrucksformen zu wählen, die Inhalte zu vertreten, die einem/einer wichtig sind. Darin liegt auch eine gesellschaftspolitische Aufgabe der Szene. Sie gewährleistet, daß ein Regulativ zur staatlichen und marktwirtschaftlichen Ausrichtung vorhanden bleibt.

Die Frage wird sein, welche Organisationen, Institutionen und Initiativen in der Lage sind, ein sozio-kulturelles Umfeld mit technologischem Know-How zu verbinden. Voraussetzung für den Brückenschlag bilden KULTURELLES ENGAGEMENT, INNOVATION UND INTEGRATIV WIRKENDES GESELLSCHAFTSPOLITISCHES POTENTIAL. Besonders ausgeprägt sind diese Kompetenzen in der Freien Szene, weil sie dem kulturellen Engagement eine Plattform bieten, alternative Lebensweisen, Selbstverwirklichung, Umsetzung innovativer Ideen, Durchsetzung und Mitbestimmung kultureller Entwicklungen und reflexive, kritische Ansätze umzusetzen. Unter anderem auch durch die flexibleren Organisationsformen, die ein Selbstorganisationsprinzip beinhalten. Das Innovationspotential ist auch deshalb vorhanden, weil abseits institutioneller Organisationsprozesse gearbeitet wird. Die Möglichkeit, über sich selbst und die eigene Arbeit zu bestimmen, läßt neuen Ideen mehr Spielraum. Unkonventionelles hat Platz, das Handeln wird nicht primär an Kriterien der Wirtschaftlichkeit gemessen. Das elfte Gebot im Cyberspace lautet: "Sei du selbst und laß es dir gut gehen." [Thomas Mandel, Gerard Van der Leun, Kursbuch Internet, S.254] Diese Aufforderung beschreibt das neue Lebensgefühl der "Netzwesen". Ihnen ist die Selbstverwirklichung wichtig, ebenso wie die Freude.

Kulturinitiativen können durch ihr Potential an Selbstorganisation von der Vernetzung regional und international profitieren. Nach den Erfahrungen von Public Netbase [Kulturserver] sind es besonders diese Initiativen, die dem Gedanken des Netzwerkes durch ihre praktische Arbeit ohnehin nahestehen.
"Netzwerkorientierte Arbeit fördert besonders kleine und dezentralisierte Organisationsstrukturen. Spezialisierte und flexible Einheiten müssen eine Vorreiterrolle gegenüber den tradierten Strukturen bilden, um avancierte Projekte unterstützend begleiten zu können. Das trifft sowohl technische, als auch inhaltliche Aufgabenstellungen, die von herkömmlichen Kulturinstitutionen derzeit nicht wahrgenommen werden können."
[Public Netbase, Kunst am Internet, S.17]

Diese Initial-Rolle wird von Privatinitiativen der Medienszene wahrgenommen. Sie agieren themenübergreifend und zusammenführend: Medienpolitik, Bildung, Kunst und Kultur werden zusammengebracht. Die Freie Szene sieht es als ihre Aufgabe, in Richtung Public Access bewußtseinsbildend zu arbeiten. VisionärInnen, freidenkende AußenseiterInnen und Tatkräftige verschiedenster autonomer Szenen waren mitbeteiligt am Aufbau der Netze und der Entwicklung der Netzkultur. Sie haben ein kulturelles Klima geschaffen, in dem neue Formen des Miteinanders erprobt werden können. Die Kulturinitiativen sind der Motor für Innovationen. Ihre Zusammensetzung basiert auf der Suche nach Interessensverbindungen, dem Wunsch nach Mitbestimmung an der Zukunftsgestaltung [Generation der Nicht- oder Noch-Nicht-Etablierten], einem kollektiven Aufbegehren und Infragestellen tradierter Wertvorstellungen, dem Wunsch nach Umsetzung von Visionen. Experimentelle Wege und Selbsterfahrung sind in diesen Lern- und Probewerkstätten wichtig. In solcherart "Lernfeldern" werden soziale Kompetenzen erworben, ohne die jede Gesellschaft kulturell ärmer wäre. Wurden die Arbeitsformen der Freien Szene früher oft belächelt und mit chaotischen Strukturen gleichgesetzt, so hat sich mittlerweile auch in großen Unternehmen die Auffassung durchgesetzt, daß Organisationen komplexe, chaotisch reagierende Systeme sind. Das Chaos wird nicht mehr als Bedrohung begriffen, sondern mittlerweile als Selbstregulativ anerkannt und als Voraussetzung organisatorischen Verhaltens akzeptiert.

FINANZIELLE MITTEL SOLLTEN AUCH IN DIE FREIE SZENE ZURÜCKFLIEßEN, WEIL WESENTLICHE IMPULSE FÜR DIE GESELLSCHAFT AUS DIESEN UMGEBUNGEN KOMMEN.

Jede Generation findet eigenwillige Wege, um die Kultur zu verändern. Das Internet ermöglicht der gegenwärtigen Generation eine neue Weise des Experiments. Die Präsenz im World Wide Web bringt gleichzeitig eine regionale und globale Reichweite, im Unterschied zu wirtschaftlichen Anliegen der UnternehmerInnen ist Globalisierung ein Hauptthema, weil damit weltweite Kooperationen erleichtert und Gleichgesinnte gefunden werden können. Das Interesse am Net ist in dieser Szene vorwiegend ideeller Natur, ein Aspekt, der in kommerziellen Bereichen als defizitär wahrgenommen wird.
2. EXPERIMENTELLE FREIRÄUME
"Die Vermittlung von Spezialwissen, das im Netz gespeichert und abrufbar ist, kann nicht mehr vorrangiges Ziel der Bildung sein", empfiehlt Landeshauptmann Josef Pühringer den Schulen, neue Freiräume zu nützen. Kreativität müsse stärker gefördert werden. Schüler müßten lernen, bei der selbständigen Informationssuche Wesentliches von Unwesentlichem zu trennen."
[Oberösterreichische Nachrichten, 24.02.1998, S.19]

Abgesehen davon, daß es auch Schülerinnen gibt, die kreativ sein dürfen, sind es Themen wie Inhaltsreichtum, Offenhalten von Zugängen und freien Formen der Kommunikation, Gemeinschaftsbildung im Netz, die einer finanziellen und mentalen Unterstützung bedürfen. Kreativität muß gefördert werden. Die Förderungen für Experiment und Interaktion von heute errichten die Basis von morgen. Ob und in welcher Weise in Bildung und Kultur investiert wird, prägt das Selbstbewußtsein der einzelnen. Mehr Bildung ist auch meist ein Indiz dafür, wie groß das Verständnis für andere [Toleranz] ist.

Der Unterstützung von Fähigkeiten jeder und jedes Einzelnen kommt eine große Bedeutung zu, denn die Stärkung des Selbstwertgefühls mindert in jedem Fall Dominanz- und Herrschaftsstreben. Eine gute Ausbildung und "Herzensbildung" fördert auch gemeinschaftsbildende Tendenzen, die mit dem Internet als Symbol einer neuen Kultur des Miteinander diskutiert werden.

Der Zugang und die Bereitstellung qualitativer Inhalte gelingt dann, wenn genügend Zugänge und freie [unzensurierte] Formen der Kommunikation möglich sind. Dazu bedarf es eines experimentellen Rahmens auch für künstlerische Ausdrucksformen. Kunst wird zum Kommunikationsmedium.

Durch die Bereitstellung von Räumen für das Erlernen von Kompetenzen [Stichwort: Erwachsenenbildung] wird Wissen über die Möglichkeiten der neuen Technologie erworben. Zweitens ist auch der "reale" Austausch wichtig. Multimediazentren und Public Access-Provider mit öffentlich zugänglichen und betreuten Terminals sind auch Kontaktzonen. Diese sind Basis für Gemeinschaftsbildung, eine notwendige und bedeutende Prämisse VIRTUELLER GEMEINSCHAFTEN.
"Gleichgültig, ob es sich um eine mündliche Überlieferung, Handschriften, Bücher oder elektronische Medien handelt, wichtig ist allein die Frage nach gleichen Zugangsmöglichkeiten. Die beste Grundlage für individuelle Meinungsbildung und eine gerechte Gesellschaft ist die Demokratisierung der Informationsproduktion."
[Dale Spender, 1. Auffahrt Cyberspace, S.23 ]

Informationsproduktion findet derzeit in den bestehenden Einrichtungen und Projekten der Kunst- und Kulturszene ihre Stätte. Diese bieten zunehmend multimediale Kommunikationsmittel an und vermitteln Know-How. Networking wird praktiziert im realen wie im virtuellen Raum. Internetzugang und Publikationsmöglichkeiten für Kulturinitiativen sollten selbstverständlich werden. Gefragt sind Schnittstellen zwischen Kultur, Wissenschaft und weltweiten Datennetzwerken. An diesen Orten wird auch gelernt, das Medium als Werkzeug zu nutzen und als Arbeitsinstrument zu betrachten: Die Möglichkeit, sich öfters mit dem Medium auseinanderzusetzen, fördert eine kritische Haltung gegenüber der Technologie. Aus meiner Erfahrung ist genaues Wissen über die Anwendungsmöglichkeiten eine Basis für die Entmystifizierung der Neuen Medien.

Neben dem Erfordernis, Infrastruktur zu ermöglichen, bedarf es der Förderung inhaltlicher Arbeit und inhaltlicher Projekte.
"Wenn die ersten technischen Hürden überwunden sind - in einem gewissen Bereich ist das ja geschehen - kommt es zur Inhaltsleere, wenn nicht (Personal-)Ressourcen für kreative Arbeit zur Verfügung stehen. Zudem geht's auch darum, daß die soziokulturelle Arbeit betreuter Zugänge - so vielfältig das auch sein mag - auch Ressourcen braucht."
[Andrea Mayer-Edoloeyi, Radio FRO]

Hier ist der politische Wille gefragt. Die Projekte und Modelle gibt es bereits. Experimente brauchen einen Freiraum, der letztlich wieder der Gesellschaft insgesamt zugutekommt. Unproduktiv sind die Hinhaltestrategien seitens der FördergeberInnen, wenn es um Budgetzusagen geht. Keine öffentliche Institution würde unter diesen Bedingungen arbeiten wollen.
3. KOMMUNIKATIONSNETZWERKE- UND PLATTFORMEN IN ÖSTERREICH IM BEREICH KUNST UND KULTUR MIT DEM ANSPRUCH SOZIO-POLITISCHER-KULTURELLER IMPLIKATIONEN IM ELEKTRONISCHEN RAUM

Im folgenden werden einige Beispiele gelungener Projekte aus dem Bereich der Kulturinitiativen und der Universität, wie die Linzer Frauenmailingliste FEMALE-L [female-l@uni-linz.ac.at], servus.at [http://www.servus.at], Public Netbase [http://www.t0.or.at], Virtuelle Akademie Nitscha [http://www.van.at] näher vorgestellt.

Dies ist eine Auswahl aus einer Vielzahl an Projekten und hat exemplarischen Charakter. In "Österreich Online '98" [S.154] werden Public Netbase und servus.at unter die Rubrik "Kunstserver" gereiht. Was meines Erachtens ihre Anliegen verkürzt, denn die Ansätze sind interdisziplinär. Fragen der Kultur und der Politik sind genauso bedeutsam wie die Tatsache, daß sie Plattformen für KünstlerInnen bieten. Die Bezeichnung Kunst- und Kulturserver wäre daher treffender.

Zum Teil werden im folgenden die Konzepte der einzelnen Projekte wiedergegeben, um das Selbstverständnis dieser Medieninitiativen darzustellen.

Gemeinsam ist diesen Initiativen, daß sie Alternativkonzepte der Vermittlung elektronischer Kunst und Kultur einbringen. Ihre Ähnlichkeit besteht im Ansatz in der VERMITTLUNG EINER SOZIALEN, KOMMUNIKATIVEN UND TECHNOLOGISCHEN KOMPETENZ durch das Anbieten von intelligenten Informationsfiltern, Inhalten und Infrastrukturen. Sie alle arbeiten mit großem Aufwand und Engagement am Aufbau sozialer Kommunikationsnetzwerke. Kunst/Kultur/Wissenschaft werden als soziales Handlungsfeld beschrieben. Das Bedeutende daran ist, daß sie durch ihre Initiative ein Modell bieten, das funktioniert und beispielhaft wirken kann.

DIE KULTURINITATIVEN LEISTEN EINEN WICHTIGEN BEITRAG IN DER KULTURELLEN VERMITTLUNGSARBEIT, IN DEM SIE ZUM BEISPIEL SINNHAFTE NAVIGATIONSHILFEN IN DATENLANDSCHAFTEN ANBIETEN UND KRITISCH KOMMENTIEREN. KUNST- UND KULTURSCHNITTSTELLEN ETABLIEREN ELEKTRONISCHE ÖFFENTLICHE RÄUME.

Detail am Rande: Die Abkürzung für Kulturinitiative: "KI" ist gleichlautend mit der für Künstliche Intelligenz.
3.1 Frauenmailingliste FEMALE-L [female-l@uni-linz.ac.at]

Die Frauen der Koordinationsstelle an der Universität Linz haben eine gute und gelungene FEMINISTISCHE ALTERNATIVE IM NETZ geschaffen, vor allem durch die Einrichtung der FEMALE-L, einer Mailingliste im Netz:
"In dieser Diskussionsliste werden Sie/wirst Du über alle Neuzugänge an Informationen im FEMALE-Informationssystem und in anderen weltweiten frauenspezifischen Informationsquellen auf dem laufenden gehalten. Darüberhinaus dient die Liste der Diskussion aktueller Fragen der Frauenforschung. Im Archiv der Liste werden neben den monatlichen Log-Files auch wichtige Dateien, wie Bibliographien, zur Verfügung gestellt."
[ http://www.ifs.uni-linz.ac.at/female/female-l.html]

Die Mailingliste hat sich in der Praxis sehr bewährt und wird zum Informationsaustausch verwendet. Wichtige Aspekte dabei: Stellenausschreibungen an den Universitäten, Call for Papers, Neue Forschungsergebnisse zur Frauenforschung, Hilfestellungen bei Literatursuche, Ankündigung von Veranstaltungen etc. Warum die Liste gut funktioniert, hat auch mit dem klar definierten Inhalt der Liste zu tun und mit dem großen Interesse aller Beteiligten. Zudem ist es eine gute Möglichkeit, verschiedene Sphären der Frauenaktivitäten miteinander zu verbinden.

FEMALE-L ist ein Projekt der Koordinationsstelle für Frauenforschung und Frauenstudien Linz zum Aufbau eines computerunterstützten EDV-Systems für Frauen auf Internet-Basis. Die Koordinationsstelle für Frauenforschung Linz fördert mit dem konzipierten Fraueninformationssystem einerseits die internationale Vernetzung in der Frauenforschung, andererseits durch gezielte Öffentlichkeitsarbeit in Österreich die Akzeptanz elektronischer Kommunikation unter Frauen. Nur so kann letztlich auch die weiterführende Betriebsphase des Informationssystems gewährleistet werden, da das System nur durch eine Mitarbeit der BenutzerInnen [z.B. Bereitstellung von Informationen, Updates, etc.] auch sinnvoll funktionieren kann. Ein weiteres Ziel ist die Vernetzung aller mit Frauenfragen betroffenen Stellen, Institutionen, Ministerien, etc.

Es gibt Foren und Netzwerke, zu denen nur Frauen Zugang haben, um ungestört über ihre Anliegen zu sprechen. Etwa das FemNet, das mittlerweile auch über einen Knotenpunkt in Wien verfügt: http://www2.telecom.at/femwien. Eine weitere Initiative zur Unterstützung von Frauen ist die Broschüre des Frauenbüros der Stadt Wien: Eine gelungene Mischung aus frauenspezifischen und feministischen Ressourcen, gekoppelt mit technischem Basiswissen.
3.2 Public Netbase [http://www.t0.or.at]

Öffentliche Terminals, unbegrenzter und vollständiger Internetaccount: Public Netbase ist ein Kulturserver, der mittlerweile als eine Institution in der Wiener Medienszene gilt. Als 1995 das Projekt gegründet wurde, war Public Netbase die erste Anlaufstelle, um mit diesem neuen Medium außerhalb der Universitäten in Kontakt zu kommen. Ein Zeitpunkt, zu dem es ganz allgemein noch sehr schwierig war, Zugang zum Internet zu finden. Public Netbase definiert sich als Kultur- und Jugendschnittstelle zu neuen Kommunikationstechnologien, bietet Public Internet Access und Veranstaltungen im Wiener Museumsquartier.

Das Public Netbase Team besteht aus einer Gruppe engagierter Leute aus den verschiedensten Bereichen. Sowohl künstlerische, sozial- und naturwissenschaftliche, als auch technisch/computerorientierte Aspekte werden von den MitarbeiterInnen abgedeckt. Die Plattform ermöglicht mittlerweile 1000 KünstlerInnen, Jugendlichen und Initiativen AKTIVE PARTIZIPATION UND MITGESTALTUNG DER WELTWEITEN DATENNETZE UND DES WORLD WIDE WEB. Public Netbase bietet Informationsveranstaltungen, Workshops und Schulungen und den t0 World Wide Web Server, der bereits 35 Millionen Mal von BenützerInnen aus aller Welt virtuell besucht wurde. Was wiederum dazu führte, daß sich eine AKTIVE INTERNET-SZENE und ein erhöhtes Bewußtsein für die Implikationen neuer Kommunikations- und Informationstechnologien herausbilden konnte. Public Netbase widmet sich schwerpunktmäßig den WECHSELWIRKUNGEN ZWISCHEN KULTUR UND TECHNIK, KUNST UND GESELLSCHAFT, WISSENSCHAFT UND POLITIK und wurde unter anderem mit dem "Prix Ars Electronica 95" ausgezeichnet. Die Plattform versteht sich als "Forum für freie Kommunikationsmittel und eine Informationsgesellschaft ohne Reue".

Wie wichtig, notwendig und erfolgreich Public-Netbase als Kulturschnittstelle arbeitet, verdeutlichen am besten die Zahlen. Sie veranschaulichen den Bedarf und vor allem das Bedürfnis nach öffentlich betreuten Schnittstellen mit Terminalzugang.

Die Bilanz: "40 Millionen virtuelle Zugriffe auf den Public Netbase WWW Server. 12.000 Stunden Internet Benutzung an öffentlichen frei zugänglichen t0 Internet Terminals. 10.000 BesucherInnen im Media~Space! im Jahr 1997, 5.500 telefonische Anfragen und 1.200 eMail zu inhaltlichen und technischen Problemen. 3.500 MB Informationen und Materialien sind der Öffentlichkeit auf dem t0 WWW Server frei zugänglich. 1.000 UserInnen mit Public Netbase Internet Zugang, davon 35% Frauen. (monatl. Mitgliedsbeitrag öS 90,- / öS 45,-) 250 UserInnen pro Tag nützen die Modemeinwahlverbindungen ins Internet. 200 kostenlose und unverbindliche Einführungen ins Internet, mit etwa 1.200 TeilnehmerInnen. 75 Multimedia- und Netzwerkprojekte haben ihre virtuelle Heimat am t0 WWW Server. 100 Modeminstallationsworkshops (kostenlos) wurden abgehalten." [Arbeitsbericht t0]

Das Beeindruckende an den Kulturservern Public Netbase und servus.at ist, daß sie als Modell existieren sowie auch dessen Art und Weise. Beide bieten Public Access-Arbeitsplätze für ihre Mitglieder und Gäste an und sind nicht kommerziell ausgerichtet. Mit diesen Umgebungen entsteht eine neue qualitative Kultur des Miteinanders. Sie können als Vorbild dienen, als Modell für gelungenen Access [Unterstützung, Betreuung von UserInnen]. Durch diese Zugänge werden gelebte Medienkultur und Politik erst möglich und greifbar.
3.3 servus.at [http://www.servus.at]

Mit servus.at wurde in Linz ein für Kunst- und Kulturschaffende erschwinglicher und leistungsfähiger Zugang zum internationalen Netz, die Auffahrt auf den Datenhighway, geschaffen. Die heimische Kunst- & Kulturszene in Oberösterreich ist über diese Plattform aktiv im Cyberspace präsent. Der Anspruch auf Vernetzung der Regionen sieht sich vor das Problem gestellt, daß die Einwahl außerhalb der 50 km Zone für die Initiativen zu teuer ist. Es scheitert also nicht an der Möglichkeit - die Plattform, der Kulturknoten wäre vorhanden -, sondern an den Rahmenbedingungen. Das Gefälle Stadt-Land spielt hier leider eine Rolle, die Vision des "globalen Dorfes" [McLuhan, 1995] ist noch Zukunftsmusik.

Rahmenbedingungen für Kunst und Kultur innerhalb der Medien- und Informationsgesellschaft sind so gut wie nicht vorhanden. Im Gegenteil: Es findet in unserem Lande ein zunehmender Abbau aller öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten statt. servus.at sieht sich daher als notwendige Initiative, Kunst und Kultur in unserer Informationgesellschaft auf die Sprünge zu helfen. servus.at ist ein Modell dafür, wie Aktivitäten, die NICHT WIRTSCHAFTLICH ODER KOMMERZIELL ORIENTIERT SIND, im Cyberspace Platz finden können. Die Arbeit von servus.at konzentriert sich in erster Linie auf die inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Internet in all seinen Facetten. Diverse Dienste wie eMail, ppp, ftp, WWW, Public Access-Arbeitsplätze, Webspace und Accounts stehen zur Verfügung, um sich aktiv am Aufbau und den Diskussionsprozessen der servus.at-Serverlandschaft zu beteiligen.

servus.at ist der content- & access-service für die oberösterreichische Kunst- und Kulturszene. Internet ist nicht nur WWW und Vernetzen, ist nicht nur rein technisch zu verstehen. servus.at ist eine Gemeinschaft, die mit dem Medium Internet hantiert und ihre Inhalte und Anliegen mittels dieser Technologie artikuliert. Wichtig ist vor allem der kommunikative Aspekt. Die TECHNIK IST MITTEL ZUM ZWECK - für die Entwicklung von Diskussionen und die Auseinandersetzung mit Themen jeglicher Art. Vor allem in Foren wie Mailinglisten können geographisch weit voneinander entfernte Personen quasi an einen Tisch zusammengebracht werden. Wesentlich ist der menschliche Input, die community, welche dem technischen Rahmen überhaupt erst Sinnhaftigkeit verleiht. Bei servus.at zeigt sich deutlich [vor allem in den Mailinglisten und auch im IRC - Internet Relay Chat], wie sich via Netz Menschen treffen, gemeinsam Dinge entwickeln, an Projekten arbeiten, sich ständig am laufenden halten, ohne der Notwendigkeit, sich physisch an einem Ort zu befinden.

servus.at ist ein regionaler Feldversuch. Es wird hier sozusagen Entwicklungshilfe im Bereich dieser Neuen Medien geleistet. Interessierte haben die Möglichkeit, in den Clubraum von servus.at zu kommen, sich zu informieren, zu surfen, e-mails zu verschicken, die diversen Möglichkeiten auszuprobieren, das Internet sozusagen kennenzulernen. Auf den Seiten von servus.at befinden sich auch zahlreiche nützliche Sammlungen von Werkzeugen für die Gestaltung von WWW-Seiten und Links zu Lösungsansätzen für technische Probleme.
3.4 v@n-site: Das elektromagnetische Kulturmagazin der Virtuellen Akademie Nitscha [http://www.van.at]

Die v@n-site ist das jüngste Projekt der Virtuellen Akademie Nitscha. Es geht in der v@n unter anderem darum, auszuloten, wie weit sich traditionelle "Standortnachteile" im kulturellen Engagement durch kompetente Nutzung der Telematik ausgleichen lassen.
"Wir sorgen dafür, als lokale Communities Wirkung zu entfalten und mehrere solche Communities wie auch Einzelpersonen informell zu vernetzen; folglich ebenso [sporadisch] überregionale Kooperationen zu realisieren... Bei aller Verschiedenheit von Intentionen verbinden uns einige zentrale Anliegen. Etwa das Vorhaben, jenseits traditioneller Zentren, Kristallisationspunkte zu schaffen und zu sichern, ohne uns dabei in ein Konkurrenzverhältnis mit solchen Zentren zu bewegen. Diese Konzentration auf das Regionale wird freilich mit überregionalen Bezügen und Verknüpfungen ausgestattet."
[Martin Krusche, Das Mileu, in: KUPF 74/5/'97]

Die Virtuelle Akademie Nitscha ist ein Projekt des regionalen Vereins für kulturelle Impulse mit Sitz in Gleisdorf [Steiermark] und der überregionalen ARGE Region Kultur. Konzipiert und betreut wird die v@n-site von dem engagierten Kulturarbeiter und Autor, dem selbsternannten "Hausmeister" oder "Sekretär" der virtuellen Akademie, Martin Krusche. Er betreut die Community. Anliegen von Martin Krusche ist es, ein Forum für Diskussionen zu schaffen, die im Netz stattfinden. Die Webaktivitäten wurzeln in Vorhaben, die außerhalb des Webs verankert sind. Das heißt: Die v@n stützt sich auf eine LOKALE COMMUNITY UND DEREN ÜBERREGIONALE BEZÜGE UND BEZIEHUNGEN, sie verzweigt diese Aktivitäten ins Web.

Wichtig dabei: Neue Ansätze der Kommunikation und des Miteinanders ohne Mitgliedschaft.
"Wir haben für unseren Internet-Auftritt eine antiquierte, nämlich Haus-Metapher benutzt, denn der Bildschirm ist flach und die Orientierung im Webspace für viele Menschen schwierig. Die Haus-Metapher und zwei vertraute Kompetenzen, der Hausmeister und der Sekretär als Ansprechpersonen, sollen helfen, sich in unserem elektromagnetischen Kulturzentrum zurechtzufinden. Aktuelle v@n-Aktivitäten können Sie jederzeit im v@n-Büro nachlesen."
[Martin Krusche]

Die Akademie hat als Arbeitsansatz die Form der "Offenen Konferenz" eingeführt: Zum Beispiel befaßt sich die "Konferenz der Provinz " mit kulturpolitischen Themen oder die Konferenz "Neue Räume" mit Kommunikationsmedien. Die "Protokolle der Provinz" werden regelmäßig per eMail an alle Interessierten ausgesandt und können auch im WWW abgeholt werden. Es gibt dabei keine Zugangsbeschränkungen, Teilnahme ist per Absichtserklärung möglich.

Die "Konferenz der Provinz" ist sehr erfolgreich und hat mittlerweile bewiesen, daß auch abseits der Städte und Zentren Kulturpolitik und Kunst auf der "Höhe der Zeit" stattfinden können. Die Virtuelle Akademie Nitscha legt Wert auf den Diskurs in der Szene und auf neue Umgangsformen:

Denn die Telekommunikation erlaubt uns, neues Kommunikationsverhalten zu entwickeln. Sie generiert dieses Verhalten allerdings nicht. Das alte Denkmodell Zentrum/Peripherie hat ausgedient, erklärt nichts mehr, außer, daß es Retrospektiven erklärt, antiquierte Gesten. Das gilt nicht nur für Orte, sondern auch für Personen.
"Ich: das Zentrum." "Mein Werk: das Zentrum." Der Rest: Peripherie?"
[Martin Krusche, Hausmeister der Virtuellen Akademie Nitscha]

Kooperationsmöglichkeiten im künstlerischen Bereich, im autonomen Kulturinitiativenbereich und im Bereich der Erwachsenenbildung sind erwünscht. Als [virtuelle] Initiative ist die Akademie ein interessantes Modell für die regionale Kulturarbeit und das Zusammenleben.
Auffahrt zum "Cultural Cyberhighway"?
1. DAS PROBLEM MIT DER INFRASTRUKTUR - DENKANSTÖßE UND LÖSUNGSVORSCHLÄGE
1.1 Fragen und Antworten: Ergebnisse einer eMail-Umfrage

Anfang April 1998 wurde im Rahmen der Studie eine eMail-Umfrage durchgeführt. 23 elektronische Fragebögen wurden per eMail an oberösterreichische Kulturinitiativen ausgesandt, die über eine eMail-Adresse verfügen und teilweise Websites betreiben. Der Rücklauf war überraschend groß, was mit der Attraktivität und der "Neuheit" des Mediums erklärbar ist. Von 23 Initiativen haben 10 geantwortet und dies, obwohl gerade Osterferien waren. Es zeigt sich, daß es in der Praxis leichter fällt, auf eine eMail zu antworten, als einen Fragebogen per "Snailmail" [Briefpost, Diskette spazieren tragen - generell Ausdruck für langsame Wege der Beförderung] zurückzuschicken.

Es ging bei der Erhebung um persönliche Erfahrungen und nicht um eine quantitative Zählung. Deshalb gab es keine Ja/Nein-Fragen und keine Vorgaben. Die Antworten können aufgrund des Umfangs nicht im Detail wiedergegeben werden, die Beiträge werden inhaltlich zusammengefaßt. Aus den Antworten wurde deutlich, daß Internetversierte zurückgeschrieben haben, Leute, die selbst aktiv am Internet-Geschehen partizipieren.

Ich möchte mich auf diese Wege nochmals bei allen bedanken, die daran teilgenommen haben.

eMail-Fragen:

1. Seit wann hat Euer Projekt Zugang zum Internet?
2. Warum habt Ihr Euch für eine Anbindung ans Netz entschieden?
3. Wie finanziert Ihr Eure Internet-Aktivitäten?
4. Was kostet Euch die monatliche Anbindung ans Internet? eMail/Zugang zum Internet/Speicherplatz für Eure Website/Einrichtung der Website/Betreuung der Site
5. Wer ist Euer Provider und warum habt Ihr Euch für diesen entschieden? Seid Ihr mit den Diensten zufrieden?
6. Wer arbeitet in Eurer Initiative mit dem neuen Medium?
7. Was hat sich durch das Internet in Eurem Organisations- und Arbeitsablauf verändert, z.B. Erleichterung der Kommunikation, bessere und schnellere Erreichbarkeit?
8. In welcher Hinsicht stellt es für euch eine Bereicherung/Erweiterung Eurer Aktivitäten dar, z.B. Vernetzung mit anderen, Zugang zu neuen Inhalten?
9. Haben sich durch Eure Vernetzungsaktivitäten die Ziele und Perspektiven verändert?
10. Welche Projekte realisiert ihr über das Netz?
11. Welche Schwierigkeiten haben sich ergeben?
finanzielle/vereinsinterne Blockaden/anderes
12. Wie habt ihr die Umstellung gemeistert?
13. Woran liegt es Eurer Meinung nach, daß die Vernetzung der Kulturinitiativen langsam und mühsam ist?
14. Was würde eine Vernetzung der Kulturinitiativen untereinander bringen?
15. Seid Ihr an der Einrichtung einer oberösterreichischen elektronischen Kulturvernetzung interessiert?
16. Welche Forderungen sind von Eurem Projekt aus an die Politik zu richten?

Antworten und Analyse:
"... gebt uns endlich schnelle Leitungen!"
[Jazzatelier Ulrichsberg]

Wovon profitiert die Szene am meisten? Welche Defizite gibt es und warum? Auffällig, nicht aber neu, ist die Überforderung durch die eigene, oft unbezahlte Arbeit. Aufgrund der knappen budgetären Situation können die Initiativen oft keine/wenig umfangreiche Webprojekte erstellen. Im Vordergund steht die Nutzung der Kommunikation per eMail.

Die inhaltlichen Beiträge können sich trotzdem sehen lassen. Sowohl die mediengerechten Anwendung/Nutzung als auch die transportierten Inhalte sind aktuell und interessant. Die Seiten sind überdurchschnittlich aktuell gewartet, im Vergleich zu anderen Sites im WWW. Eine Aufstellung interessanter Websites aus der Szene in Oberösterreich findet sich übrigens im Literaturverzeichnis unter "Recherchen im Netz".

Stichwort: Kommunikation und Nutzung
Der Nutzungsschwerpunkt liegt derzeit bei der Kommunikation via eMail. Laut servus.at, Kunst- und Kulturserver der Szene in Oberösterreich, zeigt die Praxis, daß die bereits angeschlossenen Kulturinitiativen und KünstlerInnen Dienste und Webspace nützen, um ihre Inhalte und ihre Arbeit zu präsentieren. Um via eMail effizient und schnell zu kommunizieren, um durch die Vernetzung weltweite Kontakte aufzubauen und aufrechtzuerhalten. Und nicht zuletzt, um Informationen aus dem Netz zu holen. Dieser Erfahrungswert wurde durch die eMailumfrage bestätigt. Geplant werden Webprojekte, die Diskussionen anregen sollen - also nicht nur Präsentation der eigenen Arbeit, sondern Anlegen von Austauschforen, z.B. Guestbooks, Mailingslists etc. Im Detail werden genannt:

Vorteile durch bessere Erreichbarkeit; Möglichkeit zur Bewerbung der Aktivitäten [Veranstaltungskalender]; Arbeitserleicherung, z.B. durch Kontakte mit KünstlerInnen im Ausland; leichtere Übermittlung von Texten für die eigene Zeitung; angenehmere Kommunikation innerhalb des Vorstands; Erleichterung bei der Projektabwicklung; Vernetzung mit anderen Einrichtungen; Möglichkeit, neue Kontakte zu knüpfen; Sammeln von Informationen, die ansonsten eher schwer zu bekommen sind; Verbesserung der internen Kommunikation.

Stichwort: Technische Qualifikation und Probleme bei der Anschaffung
Geringe Know-How-Defizite herrschen auf der technischen Seite. Da in diesen Initiativen meist eine große Bereitschaft zur Eigeninitiative vorhanden ist, dürfte es vor allem auf der technischen Seite kaum Schwierigkeiten beim Installieren und Betreiben geben. Die andere Seite, der nicht beeinflußbare Bereich der Zugänge und Leitungen, stellt dagegen ein erhebliches Problem dar. Überraschenderweise gibt es vereinsintern darüber kaum Diskussionen. Zumindest wird davon nicht berichtet.

Stichwort: Provider
Auffällig ist die Zahl der kommerziellen Provider, was weiters nicht verwundert, da diese vielfach regionale Anbindungen zur Verfügung stellen [z.B. netway, merlin-network communications, a-online, magnet, infotech ried, spardat]. Einige sind auch bei servus.at, vor allem wenn sie in der 50 km-Tarifzone liegen. Die kostengünstigere Anbindung bei servus.at würde gern in Anspruch genommen werden, aber die Telefontarife sind zu hoch für die regionalen Initiativen, die jenseits der 50 km-Zone liegen. Teilweise ist die Auswahl des Providers auch durch Sponsoring zustande gekommen. Manche bleiben bei der Erstauswahl des Providers, mit der Begründung, die Anbindung habe sich bewährt.

Stichwort: Entscheidung für die Anbindung
Genannt werden folgende Gründe:
Bessere Kommunikationsmöglichkeit und Öffentlichkeitsarbeit; eMail als kostengünstiger Kommunikationsweg; eigene Web-Seite als zusätzliche internationale "Visitenkarte"; neue T echnologien nutzen; Jugendlichen günstigen Zugang zum Internet bieten; Präsenz im Internet auf lange Sicht von Vorteil; Werbemöglichkeit via Homepage; Erleichterung der Arbeit [Presseaussendungen via eMail]; größere Bandbreite an Informationen und der Möglichkeit, diese weiterzuverbreiten; aus Spaß an der Freude und weil einige Mitglieder Internetanschlüsse haben; schnelle Kommunikation, Präsentation, Info-Suche; Vereinfachung der Kommunikation untereinander und die Zur-Verfügung-Stellung von Infos im WWW.

Stichwort: Vorteil einer gemeinsamen elektronischen Vernetzung [Kulturserver-Knoten]
Alle Beteiligten haben sich für eine gemeinsame Vernetzung ausgesprochen. Als Vorteile werden genannt:
Austausch, gemeinsame Projekte, mehr Effizienz, mehr "Schlagkraft" - gemeinsames Auftreten in der Öffentlichkeit; Verbesserung der internen Kommunikation; schnellerer Austausch von Informationen; Kontaktaufnahme bzw. -vertiefung, Ideenaustausch, "über den Tellerrand hinausblicken", nicht so isoliert "dahinwerkeln"; Kommunikationsinstrumente nutzen lernen, gemeinsame Projekte entwickeln bzw. leichter abwickeln können; Technikphobie überwinden; eine eigene Technikkritik entwickeln.

Stichwort: Aktualität
Geschätzt wird die Aktualität der im Internet verfügbaren Informationen. Dies wird auch bei eigenen Web-Projekten berücksichtigt. Die Aktualität der Daten auf den Websites, so vorhanden, ist groß.

Stichwort: Vernetzung von Informationen
Durch das Internet entwickelt sich eine stärkere Verflechtung der Beziehungen innerhalb einer bestimmten Community, die für alle Beteiligten wichtige Informationen zur Verfügung stellt.

Stichwort: Internationalisierung
Das Internet ermöglicht die Ausweitung der Grenzen. Anfragen aus anderen Ländern sind keine Seltenheit. Internationale Kooperation stellt für alle eine Erleichterung ihrer Arbeitsabläufe und Recherchen dar.

Stichwort: Technikfeindlichkeit in der alternativen Szene, Mühsal der Vernetzung im Kulturinitiativenbereich
Da nur diejenigen befragt wurden, die im Internet bereits aktiv sind, wurden keine Ressentiments gegenüber der neuen Technologie geäußert. Auf die Frage nach der Umstellung wurde eher mit Verwunderung reagiert, der Informationsstand hinsichtlich der Technik ist sehr gut. Daß in der freien Szene mancherorts eine Art "Technikfeindlichkeit" ausgeprägt ist, wird erwähnt und als ein Grund genannt für die Tatsache, daß wenige Initiativen sich "online" engagieren. Technikphobie zu überwinden, eine eigene Technikkritik zu entwickeln wird als ein Ziel genannt, das die Vernetzung der Kulturinitiativen per Internet verfolgen könnte. Ein Netzwerk der Initiativen würde mit sich bringen, daß gemeinsame Projekte entwickelt bzw. leichter abgewickelt werden könnten.

Diejenigen, die das Netz nutzen, sehen die Vorteile, die das Medium für ihre Projekte bringt. Die alternative Nutzung steht im Vordergrund und wird als Arbeitserleichterung erlebt. Die neue Technologie wird als Weiterführung der Ziele und Anliegen wahrgenommen.

Als Hemmschwelle wird die mangelnde Infrastruktur angegeben. Es ist oft für kleinere Initiativen nicht leistbar, daß für alle, die im Projekt tätig sind, ein Computer angeschafft werden kann. Die Kommunikation per eMail wird oft von zuhause aus auf dem eigenen Gerät geleistet. Erschwerend kommt hinzu, daß nicht alle im Verein Tätigen per eMail erreichbar sind und so von der Kommunikation ausgeschlossen sind.

"Eine konsequente Nutzung ist nur dann möglich, wenn mann/frau viel Zeit oder zumindest täglich einmal online ist. Da, wie bei uns, alles ehrenamtlich geschieht und nicht alle einen Internetanschluß haben oder haben wollen, würden viele Informationen über 2 Medien geschickt/verbreitet werden müssen, da entscheidet mann/frau sich für das 'schwächste Glied in der Kette' (KEIN Internetzugang!!!) und verbreitet die Informationen herkömmlich!"

Stichwort: Probleme mit der Finanzierung
Die Einführung als solche wird nicht von allen als große finanzielle Belastung empfunden. Die weiterführenden Projekte - Websites, Datenbanken - stellen aber einen nennenswerten Budgetschub dar, der nicht ohne weiteres leistbar ist und zum Teil über Sponsoring abgedeckt wird. Die meisten sind bemüht, die Internet-Aktivitäten in ihre laufende Budgets aufzunehmen, sie werden aber auch teilweise privat finanziert. Weiterführende Projekte sind finanziell schwierig, die Initiativen laufen deshalb eher auf "Schmalspur". Dafür aber sind sie aktuell. Die nicht oder kaum existierende Förderung seitens der öffentlichen Hand wird als Problem genannt, warum nicht mehr Initiativen sich an der Vernetzung beteiligen können.

Stichwort: Forderungen an die Politik
Die Forderungen beinhalten:
Schnelle Leitungen; mehr offene Zugänge zum Internet; niedrigere Tarife; Einbindung des Internet in Ausbildung [Schule, Lehre]; eine starke Kulturförderungspolitik zu betreiben; entsprechende Subventionen, klare Zuständigkeiten/Kompetenzen/Förderrichtlinien bei den Gebietskörperschaften; [Basis-]Finanzierung von Aktivitäten im Bereich der Neuen Medien; die Politik soll sich aus den Internet fernhalten; Finanzierung von lokalen, freien Access Points [mit Medienwerkstätten] in bestehenden KIs; das Basisbudget der Initiativen soll erhöht werden, um sich Internet sinnvoll leisten zu können bzw. Geld für Infrastukturinvestitionen [für ein gemeinsames Netz, aber auch für die Infrastruktur in den Häusern] bereitgestellt werden; wichtig ist aber auch, daß es genügend finanziellen Spielraum für Ausbildung gibt, um Kunstprojekte initiieren zu können, Kulturhäuser zu kleinen Public Access-Stationen werden zu lassen; Bandbreiten, Wunsch nach Standleitungsnetz, ACOnet-Qualität, Forderung nach kostenlosem ACOnet-Zugang ohne kommerzielle Absichten.

Allgemeine Tendenz: Das Internet bietet vor allem Vorteile, die insbesondere den "kleinen" Institutionen und Vereinen zugute kommen, welche meist ohnehin über schwache Budgets verfügen und einfallsreich in der Gestaltung ihrer Öffentlichkeitsarbeit sein müssen. So ist zum Beispiel für die meisten das Betreiben einer Webpage ein zusätzlicher Aufwand, der oft nur durch Privatinitiative ehrenamtlich zustande kommt. Die Vergrößerung ihres Aktivitätsradius, das Finden neuer InteressentInnen und AnsprechpartnerInnen, wird als notwendig und positiv für die eigene Arbeit erlebt.

So fallen auf der einen Seite zwar Kosten für den Zugang zum Internet [Provider], Telefonrechnungen und teilweise Betreuung der Website an, der Computer aber ist als Arbeitsmittel in vielen Initiativen bereits vorhanden oder wird privat zur Verfügung gestellt. Aus diesem Grund ist es meist keine Umstellung und kein langwieriger Prozeß [eher bei größeren Institutionen der Fall], sondern wird als Erweiterung und als Bereicherung wahrgenommen. Die rasche Adaptierung für ihre Vereinszwecke und Ziele ist auch ein Ausdruck der Organisationsstrukturen in diesem Umfeld: Flexibel und selbstorganisiert.
1.2 Infrastrukturförderungen am Cultural Cyberhighway

Den politisch zuständigen EntscheidungsträgerInnen wird langsam bewußt, was auf sie in den nächsten Jahren zukommt. Der tatsächliche Handlungsbedarf wird noch immer geleugnet, obwohl nicht mehr zu übersehen ist, daß sich das Internet nicht auf ein Spielzeug für Technikfreaks beschränkt, sondern ein langfristiges Konzept beinhaltet, das neue Maßstäbe für die moderne Kommunikation vorgibt. Die Reaktionen auf diese Einsicht sind unterschiedlich. Allen FördergeberInnen gemeinsam ist die Tendenz, die Sache überschaubar zu halten und daher budgetär möglichst knapp anzusetzen. Die berühmte Spitze des Eisbergs wird sichtbar. Politisches Tauwetter ist angesagt. Denn eine Technologie-Offensive am Papier ist zu wenig. Solange den Worten keine wegweisenden Taten im Sinne der Finanzierung und Schaffung von sinnvollen Rahmenbedingungen folgen, bleibt die Demokratisierung und Mitbestimmung eine leere Hülse - und damit auf der Strecke. Innovatives Potential kommt nicht zum Zug. So haben sich viele gewundert, wo die versprochene Technologiemilliarde geblieben ist, wohin sie versickerte und welche Budgetlöcher sie füllen mußte. Der Verdacht wurde laut, daß vorwiegend durch Umschichtungen in großem Stil bereits bestehende Einrichtungen der Forschung damit finanziert worden wären.
"Während noch immer um die institutionellen Reformen der Technologiepolitik in Österreich gefeilscht wird, geht die ökonomische Basis für die versprochene Technologieoffensive verloren. Denn von der Technologiemilliarde für 1998 (TM '98), der zweiten der drei bis 1999 in Aussicht gestellten, bleibt nach dem Stopfen der durch die Sparbudgets aufgerissenen Löcher in den Förderungsfonds nur noch ein kleiner Bruchteil übrig. Sie ist praktisch ausgeräumt, noch ehe sie richtig verteilt wurde.
Begonnen wurde das Ausräumen mit dem Beschluß der Regierung, gleich einmal 300 Millionen für die Exportförderung abzuzwacken. Die verbleibenden 700 Millionen dürfen sich nun Wirtschafts- und Wissenschaftsminister brüderlich teilen. Daraus müssen sie aber zunächst die ihnen zugeordneten Förderungsfonds aufpäppeln."
[Standard, 14. Jänner 1998, S.17; http://derstandard.at/arc/19980114/84.htm]

Gemeinsamer Tenor in den Tageszeitungen war die Feststellung, daß es der österreichischen Technologiepolitik nicht an der Einsicht, sondern an der Umsetzung mangle; kritisiert wurde außerdem, daß die zusätzlichen Mittel aus der Technologiemilliarde als Ersatz für gekürzte Finanzzuwendungen herangezogen wurden.

Den Initiativen hingegen mangelt es nach wie vor an halbwegs zureichender finanzieller Unterstützung. Der Einstieg in die neuen Technologien ist für viele angesichts ihrer ohnehin knappen Budgets nicht leistbar. Das bedeutet, daß ein großes Potential an mitgestaltenden Kräften und visionärem Engagement auf der Strecke bleibt, zumal die Marginalisierung wichtiger gesellschaftlicher Gruppierungen einen Teil der "Subventionsunkultur" in diesem Land darstellt: Aushungern heißt die Devise, weshalb die Initiativen über weite Strecken ein ungesichertes Dasein führen. In diesem Bereich müßten zusätzliche Mittel bereit gestellt werden, um das kreative Potential zu fördern, d.h. neben den Subventionen für Kunst und Kultur zusätzliche Fördergelder für den Bereich Neue Medien vergeben werden.

ES IST DAHER DRINGEND NOTWENDIG, UNABHÄNGIG VON DEN BEREITS BESTEHENDEN SUBVENTIONEN FÖRDERUNGEN IM BEREICH NEUER MEDIEN ZU VERGEBEN.

1. BASISFÖRDERUNGEN FÜR INFRASTRUKTURANSCHAFFUNGEN [VERNETZUNG KOSTET!]
2. PROJEKTFÖRDERUNG
3. FÖRDERUNG VON ARBEITSPLÄTZEN
4. LANGFRISTIGE SICHERUNG VON FÖRDERUNGEN

EINE DER ERSTEN AUFFAHRTEN, DIE AUCH AUS ÖFFENTLICHEN MITTELN FINANZIERT WERDEN MUß, SOLLTE DIE AUFFAHRT ZUM CULTURAL CYBERHIGHWAY SEIN.

Die öffentliche Hand hat in diesem Sektor der Förderung bereits ein schweres Defizit eingefahren. In Sachen "Neue Medien" liegt die Förderpolitik unverändert im argen; auf die Entwicklung wurde noch immer nicht mit entsprechenden Budgetansätzen in den Förderprogrammen reagiert. Durch die mangelnde Bereitstellung von Geldern und geförderten Zugängen zu Netzwerken wird das Problem den freien Anbietern überlassen, die im einzelnen ab und zu als Visitenkarte Kultur und Kunst auf ihren Servern sponsern.

DER AUFBAU EINES CULTURAL CYBERHIGHWAY, DIE REGIONALE ANBINDUNG VON KULTURINITIATIVEN ÜBER KULTURKNOTENPUNKTE, EINE VERSTÄRKTE UNTERSTÜTZUNG VON KULTURSERVERN WIE PUBLIC NETBASE, SERVUS.AT, SILVERSERVER, THING WÄREN ERSTE SCHRITTE IN EINE ERNSTZUNEHMENDE UND VERANTWORTUNGSVOLLE FÖRDERPOLITIK.
2. FÖRDERPRAXIS: "VORZEIGEPROJEKTE" ODER SCHRITTE IN RICHTUNG PUBLIC ACCESS? U.A. AM BEISPIEL DIGITAL CITY LINZ

Daß Gelder für den Bereich der neuen Technologien vorhanden sind, wird sichtbar an den "Vorzeigeprojekten" der Verwaltung und der Einrichtung des Education-Highway [Schulvernetzung] in Oberösterreich [ HTTP://WWW.ASN-LINZ.AC.AT/]. Auffällig dabei ist, daß diese Projekte an bestehenden Strukturen und den Bedürfnissen der Betroffenen vorbei agieren. Ein Grund liegt darin, daß die Logik des bürokratischen Denkens auf das neue Medium übertragen und noch zuwenig auf KOOPERATION UND SYNERGIEEFFEKTE geachtet wird. Obwohl gleichzeitig festzuhalten ist, daß es für Behörden ohnehin bereits einen sehr großen Schritt darstellt, mehr Service zu bieten. Die Realisierung eines Internetprojektes kennzeichnet daher in jedem Falle eine Leistung und wird auf lange Sicht ein Umdenken in den staatlichen Institutionen bewirken.

Das Projekt Digital City der Linzer Stadtverwaltung ist - verglichen mit anderen Städten - fortschrittlich, vor allem die Einrichtung öffentlich betreuter Terminals:
"All jenen, die über keinen direkten Internet-Zugang verfügen, steht im Bürgerservice am Hauptplatz und in den vier Büchereien/Stadtinformationen Dornach, Einsteinstraße, Ebelsberg und Bücherei Center Urfahr ein Kiosk zur Verfügung. Schrittweise werden alle Büchereien/Stadtinformationen mit Kiosken ausgestattet, sodaß kostenloses Surfen im Internet-Angebot der Stadt Linz unter http://www.linz.at und das Mitreden in den newsgroups flächendeckend möglich wird. Ersteinsteiger ins Internet werden vom fachkundigen Personal vor Ort beraten und unterstützt."
[ http://web.linz.at/aktarch/medis/4413.htm]

Ein negatives Beispiel ist der Kulturkalender der Digital City Linz. Es wäre wesentlich effizienter und sinnvoller gewesen, diese Aufgabe den Kulturservern, etwa servus.at, direkt zu übertragen, die Einblick in die Szene haben und über das notwendige Know-How verfügen, wie Vernetzung im Kulturbereich funktioniert. Die Seiten würden dann nicht ein leeres Gerüst bleiben, sondern könnten sich zu einem interessanten Info-Treffpunkt entwickeln.

Die Vernetzungs-Kompetenz der Kulturinitiativen läßt sich einfach erklären aus dem Prinzip der Selbstorganisation. Im Vergleich zur Verwaltung steht AUSTAUSCH UND NICHT PRIMÄR INFORMATION im Vordergrund. Die Teilhabe an bestimmten Foren, das Abrufen bestimmter Sites im Netz entsteht auch durch Nähe zu bestimmten Umgebungen, die ihre Wurzeln ebenfalls im sozialen Leben haben. Erst wenn es SINNVOLLE SCHNITTSTELLEN zwischen den Kontexten gibt, wird das Verwaltungsnetz kein leeres Gerüst bleiben. Die digitale Stadt lebt erst dann, wenn die Menschen daran aktiv teilhaben. Derzeit wird die Digital City Linz weniger als ein offenes Forum mit der Möglichkeit der BürgerInnenbeteiligung gesehen, sondern vielmehr als ein "Rathaus Online", eine digitale Konstruktion von oben. Es ist schade, daß es nicht von Anfang an gelungen ist, mehr Kooperationen mit BürgerInneninitiativen und engagierten Projekten der Kunst, Jugend- und Kulturszene herbeizuführen. Dann erst wäre der Anspruch auf Errichtung einer zweiten Stadt, einer Digital City, eingelöst.

Der Einsatz der ProjektleiterInnen wäre vorhanden gewesen. Es war den Beteiligten auch bewußt, daß ein Konzept nach dem Modell der "Digitalen Stadt Amsterdam" sinnvoll wäre - allein es fehlt oft der politische Wille, mehr Geld zur Verfügung zu stellen. Und oft bindet die Auseinandersetzung, die Umstellung, die mit der Neueinführung des Mediums verbunden ist [Einschulungen, neue Infrastruktur aufbauen, neue Arbeitsabläufe konzipieren] sämtliche Kapazitäten in den Institutionen. Know-How in punkto BürgerInnenbeteiligung wird in der Konzeptphase auch nicht zugekauft. Leider gelingt es oft nicht, Kooperationen mit Kulturinitiativen und Jugendprojekten, die auch zum Teil durch die öffentliche Hand finanziert werden, in diese öffentlichen Infrastrukturen mitaufzunehmen.

Wie das Beispiel der "Digitalen Stadt Amsterdam" zeigt [De Digital Stad Amsterdam/NL: http://www.dds.nl], könnten Konzepte partizipativer Politik, interaktiven Handlungsverständnisses und Vernetzung soziokultureller Initiativen im digitalen Netzwerk erfolgreich umgesetzt werden. Kompetenz sollte daher auf diejenigen Gruppen und Personen übertragen werden, die Erfahrung mit dem Aufbau sozialer Netzwerke haben. Damit verbunden wären unmittelbar zwei wesentliche Effekte: Entlastung von PolitikerInnen und schwerfälligen Verwaltungsapparaten, die meist zuwenig Erfahrung mit dem sinnvollen Einsatz der Neuen Medien haben. Bei gleichzeitiger Übertragung der Kompetenz bei der Aus- und Mitgestaltung auf Initiativen mit finanzieller Unterstützung seitens des Landes oder der Stadt. Erst dann macht es Sinn, von einem Netz für BürgerInnen zu sprechen, wenn diese auch in die Konzeption miteinbezogen werden. Verwaltungseinrichtungen und BürgerInnen könnten tatsächlich näher rücken [Stichwort: Service und BürgerInnenbeteiligung], wenn den VordenkerInnen die notwendigen Ressourcen zur Verfügung gestellt werden, um wegbereitend die Demokratisierung des Mediums einzufordern und einzurichten. Zur Beteiligung der BürgerInnen ist es noch ein weiter Weg. Wünschenswert wäre die Schaffung eines alternativen BürgerInnennetzes in jeder Stadt und in jeder Gemeinde. Die politisch Verantwortlichen müssen in Zukunft den regionalen Handlungsbedarf erkennen.
"Der Kontext, in dem Kulturinitiativen eingebettet sind, liegt zuallererst im kommunalen Raum. Die Gemeinde bildet das soziale Umfeld, sie umfaßt den Radius der kulturellen Tätigkeit. Die Gemeinde ist es aber auch, die sich aus der gegenwärtig virulenten Krise zuallererst einen Ausweg bahnen muß. Deren Kennzeichen sind Arbeitslosigkeit, neue Armut, schwindende Solidarität und Fragmentierung."
[Martin Wassermair, Vom Gemeinsinn initiativer Kulturarbeit, in: Werkstattblätter 2/1998]
3. ANBINDUNG, AUSBAU UND VERBINDUNGEN ZWISCHEN DEM EDUCATION-HIGHWAY UND DEM CULTURAL CYBERHIGHWAY: SCHNITTSTELLEN UND FORDERUNGEN AN DIE POLITIK
"Die Freiheit der Meinungsäußerung und der Information ist ein in Art. 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention garantiertes Grundrecht der Demokratie."
[KUPF, zuMUTungen, Absatz 4D, Medienpolitische Aspekte der Kulturpolitik]

Investitionen in die Bildung sind Investitionen in die Zukunft. Daran hat auch die Medien- und Informationsgesellschaft nichts geändert. Im Gegenteil: Wissen soll das Kapital der Zukunft sein. Umso beschämender ist es zu sehen, wie in Österreich die Einschränkungen im Bildungsbereich budgetär sichtbar werden, z.B. wie der lange Zeit freie Zugang zu den Universitäten neu verhandelt wird - Bildung ist scheinbar nicht mehr selbstverständlich. Vielleicht stimmt es, wenn Foucault meint, daß die Dinge, über die viel gesprochen wird, bereits vom Verschwinden bedroht sind. Gefährdet scheint die Basisbildung, merkbar an der Selektion und Abwertung von bestimmten Inhalten: geisteswissenschaftliche Fächer verlieren an Bedeutung. Zur Diskussion stand 1996 im Wissenschaftsministerium, ob - einhergehend mit einer Studienzeitverkürzung - die geisteswissenschaftlichen Disziplinen zu Cultural Studies zusammengefaßt werden sollten. Solche Ansätze werden unmittelbar mit den neuen Technologien in Zusammenhang gebracht, der Legitimationsdruck der Geisteswissenschaften steigt mit der Überbewertung des technikorientierten Wissens. In der Studie "Netzwerkst@tt Schule" wird festgestellt, daß die Computerbildung fest in der Hand der NaturwissenschafterInnen, der TechnikerInnen, an den berufsbildenden Schulen auch der KommerzialistInnenen liegt und von Anfang an eine eher technokratische Schlagseite hatte. [Christian Schartner, Netzwerkst@tt Schule 1996, S.22]

DIE ÜBERBEWERTUNG DES TECHNOLOGISCHEN WISSENS GEGENÜBER DEN HISTORISCHEN, GEISTES- UND KULTURWISSENSCHAFTLICHEN FÄCHERN ZEIGT EINE TRENDWENDE, DIE FÜR DIE ZUKÜNFTIGE ENTWICKLUNG DES WISSENSERWERBS PROBLEMATISCH IST, DENN ES WERDEN GERADE JENE FÄCHER ABQUALIFIZIERT, DIE EIN KRITISCHES DENKEN FÖRDERN. ES WÄRE DRINGEND NÖTIG, DIESE GEBIETE AUFZUWERTEN, BILDUNG UND KULTUR WIEDER MITEINANDER ZU VERBINDEN.

Einseitige Bildung kann mit sich bringen, daß die Technik überbewertet wird und die ohnehin vorhandenen technokratischen Elemente in den Vordergrund der gesellschaftlichen Entwicklung gestellt werden. Es ist daher naheliegend, im Sinne einer Umwertung des Trends darüber nachzudenken, ob der EDUCATION HIGHWAY getrennt von einem CULTURAL CYBERHIGHWAY gesehen werden kann und soll. ACOnet und Education Highway [Schulvernetzung in Oberösterreich] und der ASN [Austrian School-Network; http://www.bmuvie.gv.at/asn/asn.htm] stehen derzeit in Österreich im Zentrum der politischen und finanziellen Aufmerksamkeit. Das österreichische Wissenschaftsnetz, das Austrian Academic Computer Network - kurz ACOnet - "ist ein nationales Backbone-Netz für die gemeinnützigen Einrichtungen der FORSCHUNG, BILDUNG UND KULTUR IN ÖSTERREICH" [http://www.aco.net/]. Die Praxis sieht anders aus. Bildung und Kunst/Kultur sollten - wie in Österreich die derzeitige politische Praxis zeigt - nicht getrennt verhandelt werden. Das Dilemma liegt nicht bei den BetreiberInnen des Netzes [EDV-Zentren der Universitäten], denn aus technischer Sicht wäre die Anbindung von Kulturservern machbar. Es könnte nach dem selben Prinzip wie die Schulvernetzung funktionieren, auch die inhaltlichen Anliegen und Kriterien sind kein Hinderungsgrund, im Gegenteil.

Allein hier fehlt der politische Wille. Gefragt wäre eine Regierungsinitiative, die sich jenseits der budgetären Aufteilung in Ministerien mit dieser Zukunftsfrage auseinandersetzt. Denn die Ausstattung von Kulturinitiativen mit Kulturservern und Infrastruktur könnte jene Anreize liefern, von denen sonst in Technologiepolitik-Papieren nur geschrieben wird.

In der Praxis könnte das ACOnet mit einem Versorgungsauftrag versehen werden und durch die finanzielle Beteiligung der Kunstsektion im Bundeskanzleramt, des Bundesmininisteriums für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten, des Bundesministeriums für Wissenschaft und Verkehr und des Wirtschaftsministeriums finanziert werden. Auch die Länder und Gemeinden sind im Einzelfall zuständig.

DAHER SOLLEN BILDUNGSINVESTITIONEN IN DIE ZUKUNFT DER MEDIEN- UND INFORMATIONSGESELLSCHAFT AUCH SO VERSTANDEN WERDEN, DAß DEN KULTURSERVERN DIE GLEICHE FINANZIELLE AUFMERKSAMKEIT ZUKOMMT WIE DEN STAATLICHEN LERNINSTITUTIONEN. ES IST DAHER NAHELIEGEND, ZWISCHEN BILDUNGSSERVERN UND KULTURSERVERN SCHNITTSTELLEN ANZULEGEN - BILDUNGSNETZWERKE UND KULTURNETZWERKE KÖNNTEN EINANDER INHALTLICH BEREICHERN. EINE KONKRETE FORDERUNG AN DIE POLITIK BEINHALTET DAHER DIE ÖFFNUNG DER BILDUNGSNETZE. INSBESONDERE DER KOSTENFREIE ZUGANG ZUM ACONET ODER EINE BASISFINANZIERUNG FÜR KULTURSERVER WÄREN LÄNGST AN DER ZEIT.

Dies wäre ein erster Schritt in die richtige Richtung. "ACOnet erbringt ein Backboneservice und betreibt derzeit Anschlußpunkte in den Standorten Wien, Linz, Salzburg, Innsbruck, Dornbirn, Leoben und Graz." [HTTP://WWW.ACO.NET/]. Diese Infrastruktur würde durch Öffnung für österreichische Kulturinitiativen gute Möglichkeiten bieten, die bundesweite Vernetzung voranzubringen und mit regionalen Anbindungen zu beginnen.

Weitere SENKUNGEN DER TELEFONTARIFE müssen folgen, um die Kosten für jene Initiativen zu minimieren, die im regionalen Raum angesiedelt sind und derzeit jenseits der 50-Kilometerzone liegen. Die Kosten der Telekommunikation sollen nicht auf die Einzelnen abgewälzt werden, wie es derzeit der Fall ist, sondern ähnlich geregelt werden, wie die Vergebührung der Briefpost. Ein Brief von Vorarlberg ins Burgenland kostet genausoviel wie für eine Wegstrecke innerhalb Wiens. Das bedeutet im Bereich der Telekommunikation, die Regierung solle in Zukunft wieder mehr darauf achten, daß gewisse Grunddienste weiterhin sozial geregelt bleiben und die Kosten einer GRUNDVERSORGUNG DER KOMMUNIKATION von allen gemeinsam getragen werden. Aufgabe der Politik muß es sein, darüber einen Konsens herzustellen und durch entsprechende Maßnahmen abzusichern.

Der Effekt einer Senkung der Telefontarife konnte vor kurzem in Österreich beobachtet werden: Durch das neue online-Tarifmodell [Internet] der Post & Telecom Austria [PTA] stieg die Anzahl und Dauer der Nutzung rapide. An der Universität Wien wurden aus diesem Grunde vorsorglich wegen zu erwartender Überlastungen [besonders im Zeitraum von 18 bis 2 Uhr] der UVO-Wählleitungszugang [UVO = University of Vienna Online] von 120 auf 240 Anschlüsse aufgestockt, um wieder halbwegs Leitungskapazität anbieten zu können [siehe Comment 98/1, S.31f.]. Soviel zum Thema Angebot und Nachfrage. Die breite Nutzung des Mediums korreliert eindeutig mit niedrigeren Kosten.

Bei der Frage der regionalen Anbindung der Initiativen spielt TARIFPOLITIK eine wesentliche Rolle. Durch das neue Tarifmodell, das zwar eine Senkung der Telefonkosten für online-Zeit mit sich bringt, wird auf der anderen Seite das Problem der Regionen noch sichtbarer, denn Einwählmöglichkeiten zum Normaltarif bestehen nur, wenn sie außerhalb des 50 km-Bereichs zum Provider liegen. Dann beträgt der Normaltarif pro Minute etwas mehr als die doppelte Gebühr [zum Vergleich: Tagestarif 1 für online-Dienste kostet von Montag bis Freitag öS 0,53 pro Minute, für die Regionalzone 50 km: öS 1,10]. Es ist evident, daß zu hohe Kosten innovative Projekte verhindern und die Kluft von Zentrum und Peripherie noch weiter verstärken, was angesichts der Globalisierungsdebatte und der technischen Möglichkeiten des Mediums Internet ein Versagen der Politik darstellt.
"Hohe Preise für Telekommunikationsdienstleistungen und für die zugrunde liegende Netzinfrastruktur zur Erbringung von Diensten könnten sich entscheidend auf die Nachfrage nach Diensten auswirken. Die Gründe, die für den Erfolg des Internets in Nordamerika angeführt werden, umfassen die weitverbreitete Anwendung einer Pauschaltarifstruktur mit kostenlosen lokalen Telefongesprächen und die Tatsache, daß Wettbewerb zu niedrigeren Gebühren für gemietete Netzkapazitäten geführt hat. Dies bewirkt beträchtlich geringere Kosten für Zugangsanbieter."
[Green Paper 1997]

Im Green Paper 1997 wird auf Entwicklungsschranken hingewiesen, die insbesondere für Österreich im Telekommunikations- und Energiesektor zutreffen: "Sogar dort, wo gesetzliche Monopole abgeschafft wurden, könnte auf Grund der wirtschaftlichen Besonderheit des lokalen Netzes in vielen Märkten die vorherrschende Rolle der derzeitigen Eigentümer von Telekommunikations- und Kabelfernsehnetzen beim Anschluß von Verbrauchern bestehen bleiben."

Da die Leitung der Verantwortlichen aber oftmals länger ist als die Dringlichkeit der Anliegen, werden die Betroffenen meist selbst aktiv und können - nach oft zähen und ermüdenden Kämpfen mit den Behörden - doch Erfolg haben, wenn es gelingt, für das Thema genügend Öffentlichkeit und Bewußtsein für das Anliegen zu erzeugen. Projekte, die aus der Kulturinitiativenszene kommen, haben es in der Regel schwerer, verbindliche und langfristige Zusagen zu bekommen. Ein erster gemeinsamer Ansatz in die Richtung einer Vernetzung von Kulturschnittstellen wurde von der VIRTUELLEN PLATTFORM ÖSTERREICH ins Leben gerufen. Diese überregionale Kulturinitiative Neuer Medien wird derzeit von 4 Kulturservern getragen: Public Netbase [Wien], servus.at [Linz] und zwei weiteren Initiativen, die noch in der Gründungsphase sind: SubNet [Salzburg], Nomad.at [Innsbruck]. Die Plattform versteht sich als Interessenvertretung österreichweiter Medieninitiativen, die die "Einrichtung österreichweiter Schnittstellen zu neuen Kommunikationstechnologien und Anbindung an das Internet" fordern.

DA FÜR DIE INITIATIVEN DIE NOTWENDIGE INTERNET-ANBINDUNG EINE ZU GROßE FINANZIELLE BELASTUNG DARSTELLT, WÄRE ES DRINGEND NOTWENDIG, DEN PUBLIC ACCESS GEDANKEN ENDLICH ZU REALISIEREN UND IN VERBINDUNG DAMIT DIE FÖRDERUNG VON PUBLIC ACCESS-POINTS. DAS BEDEUTET DIE FINANZIERUNG VON:

1. KULTURKNOTENPUNKTEN, VERGLEICHBAR DEM ASN-KNOTENSYSTEM [AUSTRIAN SCHOOL NETWORK] UND DER EINRICHTUNG VON ÖFFENTLICH BETREUTEN KULTURSCHNITTSTELLEN. DIE ANBINDUNG AN DAS ACONET MUß MIT ÖFFENTLICHEN MITTELN FINANZIERT WERDEN.
2. NEBEN DIESEN SCHNITTSTELLEN, DIE DIE ANBINDUNG AN DAS ACONET LEISTEN, MÜSSEN AUCH ANDERE CONTENT-PROVIDER, DIE GEMEINNÜTZIGE ZIELE VERFOLGEN, UNTERSTÜTZT WERDEN, UM EIN BREITES NETZ AN MÖGLICHKEITEN UND INHALTLICHEN ZUGÄNGEN ZU FÖRDERN.
3. ALLE KULTURINITIATIVEN SIND MIT EINER ZUSATZFÖRDERUNG SOWOHL FÜR DIE ANSCHAFFUNG DER INFRASTRUKTUR [GRUNDAUSSTATTUNG] UND FINANZIERUNG VON WEB- UND MULTIMEDIAPROJEKTEN AUSZUSTATTEN.

Ein zweiter wichtiger Gedanke ist der Zugang zu Bandbreiten innerhalb der europäischen Gemeinschaft: ACOnet betreibt [zusätzlich zur nationalen Leitungsinfrastruktur und einer Satellitenverbindung in die USA] das EBS-System-Wien, mit internationalen Datenleitungen [im Rahmen der EBONE-Infrastruktur] nach Paris, München, Vienna [Virginia], Bratislava, Budapest, Laibach, Zagreb, Skopje, Bukarest, Sofia, Blagoevgrad und [ab Februar 1998] nach Sarajevo. Netzpolitik und Bandbreite sind für Kulturserver besonders wichtige Themen. In der Studie: "Kunst am Internet" der Kultur- und Kunstschnittstelle Public Netbase wird eingehend darauf hingewiesen, daß für den kulturellen Sektor [Anbindung von Forschungs- und Kulturinitiativen] zuwenig Bandbreite und Netzressourcen zur Verfügung gestellt werden:
"Im internationalen Vergleich haben selbst kleine Unternehmen in den USA eine bessere Anbindung an das Internet als das gesamte nationale Universitätssubnetz von Österreich in die USA. Die Qualität des Netzzugangs für den öffentlichen Sektor verschlechtert sich zunehmend, während Wirtschaft und private Netzwerke auf bessere Enrichtungen zurückgreifen können. Österreichische Forschung und Kunst, die auf Internetressourcen zurückgreift, hat einen entscheidenden Nachteil im Vergleich zu anderen Industrienationen."
[Public Netbase, Kunst am Internet 1996, S.20]

Die öffentliche Hand muß vermehrt Anstrengungen unternehmen, damit die "gemeinnützigen" Netze weiter ausgebaut werden können.

UM AUFWENDIGE MULTIMEDIADATEN [VIDEO, MUSIK, FILM] ZU ÜBERTRAGEN, MÜßTEN DEN KULTURSERVERN EBENSO EINE DEMENTSPRECHENDE BANDBREITE ZUR VERFÜGUNG GESTELLT WERDEN. DIES IST FÜR DIE EXPERIMENTELLE WEITERENTWICKLUNG UND FORSCHUNG EIN WESENTLICHER SCHRITT, DIE KOSTENGÜNSTIGE/FREIE ANBINDUNG/EINBINDUNG AN DAS INTERNET IST DAHER ERST ALS EIN ZEICHEN FÜR EINEN ANFANG DES UMDENKENS ZU WERTEN.
Literatur
NETZRECHERCHEN:
Kulturinitiativen und Kulturstätten in Oberösterreich:

KUPF - Kulturplattform OÖ.: http://www.servus.at/kupf

servus.at: http://www.servus.at

B 124 Königswiesen: http://privat.schlund.de/KI-B124/

Freier Rundfunk OÖ. - FRO: http://www.fro.at

Jazzatelier Ulrichsberg: http://www.netway.at/jazzatelier/

Kanal Schwertberg: http://www.servus.at/kanal/kanal.htm

KAPU Linz: http://www.servus.at/kapu

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