konsortium.Netz.kultur

konsortium.Netz.kultur ist der Zusammenschluss der österreichischen Initiativen an der Schnittstelle von Kunst, Kultur und neuen Informations- und Kommunikationstechnologien.

Ohrenbetäubende Schweigsamkeit

Zur Schmerzbehandlung in der Kultur- und Medienpolitik
Martin Wassermair
Oktober 2001

Aus: Kulturrisse 0401, Oktober 2001

Um Franz Morak ist es stiller geworden. Auftritte werden zunehmend seltener, immer weniger wissen auf künstlerischem Terrain von persönlichen Begegnungen zu berichten. Die Kulturpolitik der rechtskonservativen Wende verliert damit an Dynamik und Substanz. Doch manche beklagen die Ruhe und die Schweigsamkeit. Vor allem angesichts der Tatsache, dass die Probleme sich häufen und das gesamte kulturelle Feld durch Sparmaßnahmen und eine brachiale Nulldefizit-Verordnung schwer in Mitleidenschaft geraten ist. Zuletzt machte die Ankündigung einer massiven Teuerung bei den Zeitungsversandtarifen ab 2002 von sich Reden, die schon heute einen irreversiblen Flurschaden in der ohnehin kargen Medienlandschaft erwarten lässt. Der Staatssekretär hatte dazu nicht viel zu sagen.

Franz Morak schweigt allerdings nicht immer. Anfang September nahm er zwei unmittelbar aufeinander folgende Tagungen zum Anlass, um seine Person, seinen Tatendrang und seine Weltsicht mitteilungsfreudig in Erinnerung zu rufen. Erste Gelegenheit dazu bot sich ihm im Rahmen der Alpbacher Mediengespräche, die sich 2001 dem Thema "Entgrenzte Medienwelten" widmeten. Aufhorchen ließ der Staatssekretär durch eine Kampfansage. Er werde dafür sorgen, dass das Internet an die Leine genommen wird. Zum Schutz vor global agierenden Konzernen, die zu "allwissenden und großen elektronischen Brüdern" werden, sich "sämtliche Kreditkarten-, Gesundheits- und sonstige persönliche Daten ihrer KonsumentInnen beschaffen können und damit sogar Handel treiben". Morak möchte ein europäisches Netz von "Hotlines" schaffen, die den Internet-BenutzerInnen bei ihrer Jagd auf "Kinderpornografie, Rechtsextremismus und ähnliche verwerfliche Inhalte" als Anlaufstelle dienen soll. Moraks Fazit: Die Europäische Union erweist sich in jeder Hinsicht als säumig, die Budgets sind rundum viel zu gering dotiert.

Mit seiner Einschätzung der Entwicklung neuer Technologien hat Morak eine plötzliche Kehrtwendung vollzogen. Die neue Einsicht kann allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass kaum ein Regierungsmitglied zuvor die Herausbildung einer aufgeklärten und emanzipierten Internet-Nutzung im Kulturbereich derart beeinträchtigt hat wie jener Kunststaatssekretär, der nunmehr vollmundig ein Aktionsprogramm in Aussicht stellt, das eine "sichere Nutzung des Internet" zu einer Förderungsaufgabe von höchster Priorität erklärt. Die österreichische Netzkultur-Szene hat bislang nämlich nichts davon bemerkt. Ihre Warnungen richten sich seit geraumer Zeit gegen eine um sich greifende Kommerzialisierung des digitalen Content und gegen die endgültige Zurückdrängung der öffentlichen Sphäre. Um zu vermeiden, dass die künstlerische Produktion und die Veröffentlichung kultureller Inhalte in den elektronischen Netzwerken übervorteilt werden, bedarf es gezielter rechtlicher, technischer, wissenschaftlicher und finanzieller Maßnahmen. Des Staatssekretärs Ausweitung der Kampfzone zielt bislang jedoch weniger auf die "großen elektronischen Brüder" ab, sondern nimmt offenbar lieber die freien Medien im Kulturbereich ins Visier.

Den nächsten Versuch, mit Redseligkeit die Fakten zu verschweigen, unternahm Franz Morak im Rahmen der Auslandskulturtagung, bei der die "Entgrenzung" erneut im Zentrum einer Positionsbestimmung stand. KünstlerInnen und Kulturschaffende, Interessenvertretungen und Intellektuelle - mit ihren Debatten "über die Bestellung von Theaterdirektoren, über Kulturbudgets und die Vergabe von Subventionen" diskutierten sie alle am Kern der Sache längst vorbei. Der Staatssekretär im Ton der Verzweiflung: "Was ich als Kunst- und Kulturpolitiker schmerzhaft vermisse, ist der grundsätzliche Diskurs über den Wandel von Kunst und Kultur in den Zeiten der neuen Medien- und Kommunikationstechnologien, im Zeitalter der globalen Kulturindustrie." Ein Glück für Franz Morak, dass er Peter Weibel zu seinen Freunden zählen darf. Mit dessen Worten kam der Tagungsredner zu dem Schluss: "Grundsätzlich haben wir nur zwei Möglichkeiten: entweder an der Globalisierung teilzunehmen oder uns zu musealisiern." Morak darauf: "Stellen wir uns also dieser Herausforderung!"

Peter Weibel erhebt immer wieder seine Stimme. Zuletzt sogar sehr deutlich in seiner Kritik an der diesjährigen Ars Electronica. Was hier als Medienkunst gezeigt wird - so Weibel im Vorfeld des Festivals gegenüber dem profil -, sei Ausdruck einer "postmodernen Unübersichtlichkeit", der "abstoßende Jargon einer veralteten Werbebranche", womit "der Neoliberalismus in die Kunstszene Einzug" hält. Doch auch er wägt offenbar seine Redelaune gründlich ab. Zumindest liegt bis heute keine Stellungnahme zu den Standpunkten Franz Moraks vor, kein Poltern des Medienkunstexperten gegen die von Regierungsseite gepriesenen Segnungen der Wirtschaft für die Kunst: "Kulturpolitik ist dazu angehalten", meinte Franz Morak, "heute neue Lösungen zu suchen". Vor allem "eine erfolgreiche Kreativwirtschaft" setze die "intensive Kooperation zwischen der Wirtschaft und den Kunst- und Kulturproduzenten voraus." Aufgabe der Grenzüberschreitung sei es zu verhindern, dass der "kulturelle Wirtschaftsstandort Österreich Schaden nimmt". Der Kunststaatssekretär fasst dabei nicht die Aktivitäten der VolxTheaterKarawane ins Auge. Mitnichten. Er denkt vielmehr an den "Creativity Burst" in einer global umspannten Marktwirtschaft, mit der auch die Ars Electronica zunehmend verschmilzt.

Das Wiener Künstlerhaus hat die Realität dieser Politik bereits zu spüren bekommen. In Anbetracht der existenzbedrohlichen Finanzierungsnöte betonen die Institutionsverantwortlichen, sehr wohl gerade Konzepte der Creative Industries in den Programmen der letzten Jahre berücksichtigt zu haben. Der Kunststaatssekretär verhält sich allerdings zögerlich. Oder eben deshalb. Die Zurückhaltung war jedenfalls von allem Anfang an ohrenbetäubend genug.

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