konsortium.Netz.kultur

konsortium.Netz.kultur ist der Zusammenschluss der österreichischen Initiativen an der Schnittstelle von Kunst, Kultur und neuen Informations- und Kommunikationstechnologien.

Public Access Redefined

Vortrag von Peter Riegersperger im Rahmen "100 Tage keine Ausstellung" des Salzburger Kunstvereins.

Der folgende Text war die Basis eines Vortrags über Konzeption und Inhalt eines modernen Public Access-Begriffs im Bereich der digitalen Kommunikationsnetze. Dieser Vortrag sollte vor allem die Ziele der im Bereich des freien Medienzugangs tätigen Organisationen vermitteln.

 

'Public Access' steht - als Schlagwort ebenso wie als Konzept zum Zugang zu Technologie - synonym für Demokratisierung, Emanzipation, aktive Rezeption.

Public Access wird im Bereich der Medientechnologie mit Vorliebe immer dann ins Feld geführt, wenn man die Auswirkungen technologischen Wandels auf unsere Gesellschaft und die Möglichkeiten dieser, in diesen Wandel aktiv einzugreifen, thematisieren will.

Interessant ist die uniforme Einigkeit bei der Forderung nach Public Access: Grosskonzerne, Content-Provider, Leitungs-Betreiber und freie non-profit Organisationen fordern gleichermassen - wenn auch aus unterschiedlichen Gründen - freien Zugang zu Medientechnologie.

Public Access meint die Forderung nach einem allgemeinen Zugang zu Medientechnologie, unabhängig von Geschlecht, Alter, Herkunft, Wohnort oder sozialer Stellung. Dementsprechend muss Technologie, für die Public Access eingefordert wird, das Konzept des Universal Service (einer Dienstleistung für Alle) verfolgen. Typische Universal Services sind Rundfunk (sowohl Hörfunk als auch Fernsehen) und Festnetz-Telephonie. Durch die Forderung eines allgemeinen Zugangs leitet sich automatisch die Bedeutung einer Technologie für die Gesellschaft ab: Eine solche Technologie ist per Definition als meritorisches Gut anzusehen, das von der Gesellschaft bewusst in seiner Entwicklung zu fördern ist.

In den letzten Jahren wurde der Begriff des Public Access in starkem Ausmass mit dem Internet und vergleichbaren Informations- und Kommunikationstechnologien (den digitalen Kommunikationsnetzen) verknüpft. Problematisch daran ist, dass die Forderung nach Public Access als grundsätzliches Statement zur Verfügbarkeit von Technologie die Art des Zugangs (und des Service) nicht näher beschreibt. Technologischer Wandel vollzieht sich mit rasender Geschwindigkeit. Services, die heute als State-of-the-Art betrachtet werden, sind morgen bereits veraltet und nutzlos. Fordert man nun Public Access zu eben diesen Technologien, kommt man nicht umhin, diese Forderung neu zu definieren und an neu entstehende Technologien anzupassen.

In Anlehnung an das Konzept des Universal Service muss man fragen: Welcher Service eigentlich?

Die IT-Branche boomt. Im Buhlen um die Aufmerksamkeit der Konsumenten verschenken Unternehmen mittlerweile nicht nur Anschlüsse, sondern ganze Computer mit dazu. Internet-Zugänge breiten sich mit rasender Geschwindigkeit in Österreich und ganz Westeuropa aus. Sprachtelefonieanbieter bieten Gratis-Zugänge an, Leitungs-Monopolisten verkaufen Breitband-Anschlüsse zu Kampfpreisen.

Der Markt regelt sich - wie das in Wachstumsbranchen so üblich ist - von selbst. Public Access wird ohnehin durch die Unternehmen realisiert, der populistische Wunsch mancher Politiker nach einer e-Mail Adresse für jeden Österreicher ist im Zuge des rapiden Wachstums als obsolet zu betrachten, politische Einflussnahme ist für die Branche nicht schnell genug, die Gesellschaft muss in die Umsetzung des Public Access weder kontrollierend noch regulierend und schon gar nicht gestaltend eingreifen. Der Schlachtruf der Internet-Provider "Alle ans Internet!" verspricht eine voll-vernetzte Zukunft. Oder?

Kommen wir zur ursprünglichen Frage zurück: Welcher Service eigentlich?

Man könnte der derzeitigen Entwicklung unterstellen, es würde sich hierbei um Public Access auf niedrigster Stufe handeln: Die Herstellung der blossen physikalischen Anbindung (in Form von Leitungen egal welcher Ausprägung) bildet zwar die Grundlage für den Zugang zu Technologie, aber eben nur die Grundlage. Ohne entsprechende Bildung und Kompetenz im Umgang mit Medientechnologie ist diese Art des Public Access zum Scheitern verurteilt: Was nützt mir ein Hochleistungs-Internetzugang, wenn ich nicht weiss, was ich damit anfangen soll? Wäre dies so, könnte man davon ausgehen, dass der bereits angesprochene 'Markt' diese Lücke schnell erkennen und Füllen würde.

Aber das ist leider nicht Realität.

In Wahrheit verfolgen die kommerziellen Zugangsanbieter, die sich das Ziel des Public Access auf ihre Fahnen geschrieben haben, ein fragwürdiges Konzept: Breitbandige Leitungsanbindungen für Privatpersonen sind asymmetrisch, d.h. die Leitung, die zum Konsumenten (und ich verwende dieses Wort bewusst an dieser Stelle) führt, ist um ein vielfaches dicker, als die Leitung, die der Benutzer (also der Konsument in seiner aktiven Rolle) zur Verfügung hat, um seine Informationen zu senden. Überspitzt könnte man formulieren: Das Netz kann ganze Werbekataloge zum Benutzer übertragen, dessen Interaktivitätspotential mit "kaufe ich" und "kaufe ich nicht" bereits ausgeschöpft ist. Gratis-Computer sind an Vertragslaufzeiten gebunden, die Nutzung von Gratis-Software an Werbeeinblendungen im Userinterface.

Blickt man realistisch auf die derzeitige Befindlichkeit der Möglichkeiten der Technologienutzung im Internet, so gelangt man rasch zu der Erkenntnis dass niedrige Kosten (als Grundvoraussetzung für Public Access) nur dort vorzufinden sind, wo es vor allem um passive oder tendentiell passive Dienste geht: Der Zugang selbst (da er entweder asymmetrisch realisiert wird oder aufgrund oftmals absichtlich implementierter technischer Beschränkungen besser zur Rezeption geeignet ist), die mittlerweile obligate e-Mail Adresse (die Kommunikation nur im Kleinst- bzw. Kleinbereich ermöglicht) und natürlich der Zugang zum WWW, dem beliebtesten Internet-Dienst.

Darüber hinausgehende Dienste wie z.B. Speicherplatz im WWW, Schulungen zur Vermittlung von Basis Know-how, Mailing Lists ... kurz, alle Dienste, die dem Nutzer erlauben würden, tatsächlich aus seiner Rezipienten-Rolle auszubrechen, sind entweder gar nicht oder nur zu durchaus stattlichen Preisen bzw. unerträglichen Rahmenbedingungen zugänglich.

An eben diesem Punkt muss ein moderner Public Access-Begriff ansetzen: Public Access kann nicht nur den physikalischen Zugang zu Medientechnologie heissen. Public Access muss unter allen Umständen den gleichberechtigten, vollen und unbeschränkten Zugang zu Medientechnologie einfordern.

Ein Public Access-Konzept, wie es in vielen (autonomen) Bereichen verfolgt wird und in dem der Rezeptions-Zugang eine zentrale Rolle spielt, muss dringend um einen aktiven Kommunikator-Aspekt erweitert werden. Public Access bedeutet nicht nur "öffentlicher Zugang", sondern auch öffentlicher Zugang zu Entwicklungsumgebungen, zu Experimental-Plattformen, zu Know-how und (und vor allem) zu Netzen, die frei von klassischen Marktverwertungsstrategien der Medienindustrie die Möglichkeit zum Experiment bieten.

Das Experiment ist die Basis von Innovation.
Der Zugang zu aktiven Technologien ist die Basis des Experiments.

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